Rundbrief I/2024: Ersticken wir im Plastik?
In diesem Rundbrief widmen wir uns dem Thema Plastik. Dabei rücken wir vor allem die entwicklungspolitische Komponente der Plastikkrise in den Fokus. Von einer Problembeschreibung, bei der wir vor allem betroffenen Communities Platz einräumen und aufzeigen, wie die Verschmutzung der Erde mit kolonialen und rassistischen Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen verknüpft ist, hin zu der Frage, wie wir Nachhaltigkeitsziele ohne Plastik erreichen können.
Ein Recht auf Mehrweg – für alle!
Deutschland kann Mehrweg, es war weit verbreitet, insbesondere im Getränkebereich. Die Flutung des Marktes mit Einwegplastikverpackungen hat Mehrwegprodukte zurückgedrängt. Heute gibt es kaum noch Mehrweg, die Zielquote von 70 Prozent bei Getränken wird bereits seit Jahren verfehlt. Aktuell liegen wir bei etwa über 40 Prozent. Die Politik hat versäumt den Rahmen zu setzen und Mehrwegsysteme zu erhalten oder auszubauen – von Konserven bis Kosmetik. Es würde überall ökologisch Sinn ergeben, denn nur Mehrwegartikel sind echter Ressourcen- und Klimaschutz.
Wie steht es um das globale Plastik-Abkommen?
Die ersten drei Verhandlungsrunden zum globalen Plastik-Abkommen sind abgeschlossen; zwei weitere sollen folgen. Ein fertiger Vertragstext bis Ende des Jahres, wie ursprünglich geplant, erscheint aktuell jedoch unrealistisch. Denn Industrievertreter:innen und einige Verursacherländer blockieren immer wieder inhaltliche und strukturelle Debatten.
Differenziert statt pauschal
Der Umgang mit Plastik(abfällen) wird immer mehr zur Schlüsselherausforderung für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen: Diese werden ohne Plastik kaum erreichbar sein, mit den linearen Nutzungsmustern führen sie jedoch absehbar in die Katastrophe. Dabei wird kaum diskutiert, wie Länder des Globalen Südens von stärker zirkulärer Plastiknutzung betroffen sein könnten.
Auf Umwegen zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie
Unser Ressourcenverbrauch in Deutschland übersteigt bei Weitem das, was die Erde dauerhaft bereitstellen kann. Die Kreislaufwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zu einer gerechten und angemessenen Nutzung von Ressourcen leisten. Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) soll Rahmenbedingungen für das zirkuläre Wirtschaften etablieren. Ob sie zur Senkung des Primärrohstoffverbrauchs und damit zum Ressourcenschutz beitragen kann, hängt davon ab, ob sie verbindliche Ziele und Maßnahmen und ein ganzheitliches Verständnis der Kreislaufwirtschaft enthält.
Wo stehen wir beim europäischen Green Deal?
Mit dem europäischen Green Deal hat die Europäische Union den Startschuss für eine sozial-ökologischen Transformation Europas gegeben. Doch der Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft hin zu Klimaneutralität und Umweltschutz ist kein 100-Meter-Sprint, sondern eher ein Marathon. Seit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 den europäischen Green Deal vorgestellt hat, sind zahlreiche Gesetze zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Minister:innenrat verhandelt worden. Wie sieht es um den Green Deal als Ganzes kurz vor Ende der Legislaturperiode aus?
Reduktion und Mehrwegsysteme zuerst!
Die Produktion und Nutzung von Plastik hat in den letzten 75 Jahren so stark zu genommen, dass das Material mittlerweile ein eigenes Zeitalter definiert. Wir leben im Plastozän. Aktuelle Trends sagen eine enorme Steigerung der Produktion voraus, obwohl schon jetzt klar ist, dass Plastik unseren Planeten vermüllt. Ein „Weiter so“ wie bisher kann es nicht geben.
Wer kümmert sich um euren Plastikmüll?
Plastikmüll verursacht ökologische und soziale Probleme in Indien. In diesem Müll leben sogenannte Wastepicker, die täglich enorm mit diesen Problemen konfrontiert sind. Es gibt aber Initiativen, die nicht nur die Belastung durch Plastikmüll reduzieren, sondern mit innovativen Lösungen gegen die Plastikverschmutzung vorgehen. Sie zeigen mit vielen Beispielen, wie die Bedrohung durch Plastik auf lokaler, regionaler und globaler Ebene zu bewältigen ist.
Wir schicken ihnen Vitamine und sie schicken Abfall und Gift
Insbesondere der Export von Kunststoffabfällen aus der EU in Nicht-OECD-Länder wie die Türkei ist eine Form des Müll-Neokolonialismus, der zu erheblicher Umweltverschmutzung führt. Nun beschloss die EU, den Export von Kunststoffabfällen in Nicht-OECD-Länder innerhalb von 2,5 Jahren einzustellen. Dies lässt aber Fragen zur Überwachung und zu den Auswirkungen auf OECD-Länder offen.
Gemeinschaften stärken, eine widerstandsfähige Bewegung aufbauen
Während des gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen, von der Produktion bis zur Abfallentsorgung, werden neue Technologien und alternative Kunststoffe als Lösungen angepriesen. In Wirklichkeit versperren sie jedoch nur den Weg zu Schritten, die zu einem echten Systemwandel beitragen.