Auf Umwegen zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie

Rundbrief 2024/1

Was bleibt auf der Strecke?

Unser Ressourcenverbrauch in Deutschland ist enorm und übersteigt bei Weitem das, was die Erde dauerhaft bereitstellen kann.
Der verschwenderische Umgang mit Ressourcen ist die Hauptursache für den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt.
Die Kreislaufwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zu einer gerechten und angemessenen Nutzung von Ressourcen leisten. Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) soll nun Rahmenbedingungen für das zirkuläre Wirtschaften etablieren. Ob sie jedoch zur Senkung des absoluten Primärrohstoffverbrauchs und damit zum Ressourcenschutz beitragen kann, hängt davon ab, ob sie verbindliche Ziele und Maßnahmen und ein ganzheitliches Verständnis der Kreislaufwirtschaft enthält.

Um das Ziel des Koalitionsvertrages zu erreichen, den primären Rohstoffbedarf absolut zu senken, hat die Bundesregierung im April vergangenen Jahres mit der Erarbeitung der NKWS begonnen. Federführend ist dabei das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), das dazu einen umfangreichen Stakeholder-Prozess gestartet hat. Unterstützt wird das BMUV durch ein begleitendes Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes und diverse Stakeholder aus Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Die Ziele der NKWS sind nicht unambitioniert: Umweltbelastungen reduzieren, Biodiversität und Klima schützen, Treibhausgas-Emissionen und Energieverbräuche reduzieren. Zudem soll die NKWS die Resilienz der deutschen Wirtschaft stärken und zu einer sicheren Rohstoffversorgung beitragen. So der Plan.

Holpriger Start

Den Auftakt des Beteiligungsprozesses zur Erarbeitung der NKWS machte ein Spitzengespräch, zu dem Akteur:innen aus Verbänden geladen wurden. Bereits dort machten sich Umweltorganisationen für konkrete Ressourcenschutzziele sowie deren gesetzliche Verankerung stark, um das Ziel der Senkung des Primärressourcenverbrauchs zu erreichen. Im Beteiligungsprozess stehen zunächst acht Handlungsfelder (Kunststoffe, öffentliche Beschaffung, Fahrzeuge und Batterien, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Elektrogeräte, zirkuläre Produktionsprozesse, Metalle, Gebäude, Bekleidung und Textilien), im Mittelpunkt, mit denen sich Expert:innen an Runden Tischen intensiv beschäftigen. Die Runden Tische tagten in zwei Phasen. Doch noch bevor der Stakeholder-Prozess richtig startet, taucht hier das erste Manko auf: zu wenig Plätze für NGOs an den Runden Tischen. Letztendlich wurden Umwelt- und Entwicklungsorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Verbänden zwei Plätze pro Rundem Tisch zugestanden. Aber auch bei der inhaltlichen Definition der Handlungsfelder im Rahmen der ersten Phase der Runden Tische macht sich bei einigen Teilnehmenden Enttäuschung breit. Der Bereich Verpackungen wurde zunächst ausgeklammert, da auf EU-Ebene parallele Prozesse zur EU-Verpackungsverordnung laufen; auch verkehrspolitische Maßnahmen wurden zunächst ausgespart.

Auch wenn sich schnell unterschiedliche Prioritäten abzeichnen, ist die Unterstützung zur Erarbeitung der NKWS bei allen Teilnehmenden groß. Positiv ist auch, dass das begleitende Forschungsvorhaben im Laufe des Prozesses immer wieder wichtige Impulse zur Eindämmung des übermäßigen Rohstoffverbrauchs entlang der gesamten Wertschöpfungskette gibt und die Notwendigkeit einer Transformation der gesamten Wirtschaft aufzeigt. Denn wir brauchen einen tiefgreifenden Wandel der Produktions- und Lebensstile, um die aktuellen ökologischen und sozialen Krisen in den Griff zu bekommen.

Umwelt- und Entwicklungsorganisationen weisen auf blinde Flecken hin

Auffällig ist die Dominanz von industrienahen „Lösungen“ – was an einigen Runden Tischen durch die starke Präsenz von Recyclingunternehmen nicht verwunderlich ist. Strengere Pflichten für Hersteller und weitere Wirtschaftsakteure wurden durchaus thematisiert, im späteren Verlauf des Prozesses finden sich diese Maßnahmen jedoch kaum wieder. Höhere Stufen der Abfallhierarchie, wie Vermeidung und Wiederverwertung werden weniger prominent diskutiert, doch gerade dort besteht das größte Potenzial zur Entlastung der Umwelt.

Neben dem Recycling-Fokus und dem Auslassen wichtiger Themenfelder weisen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen im Laufe des Beteiligungsprozesses auf diverse Lücken hin. Beispielsweise wird der internationalen Perspektive zunächst kein Raum gegeben, obwohl die meisten Ressourcenströme grenzüberschreitend sind und die Förderung der Kreislaufwirtschaft in Deutschland auch Folgen andernorts haben wird. Diverse Organisationen machen sich zu Beginn des Stakeholder-Prozesses für die Einbindung globaler Fragestellungen stark. Zum später hinzugefügten Handlungsfeld „Internationale Stoffströme“ wurde die nationale Zivilgesellschaft jedoch nicht eingeladen.

Die Kunst der Beteiligung

Von Anfang herrschte bei einigen Teilnehmenden des Stakeholder-Prozesses Unklarheit darüber, wie die Ergebnisse der Runden Tische berücksichtigt werden. Die Gründe für die Aufnahme oder Streichung von Zielen und Maßnahmen aus den Beteiligungsformaten des Stakeholder-Prozesses sind nicht immer transparent. Die Teilnehmenden der Runden Tische finden wichtige Inputs in späteren Phasen des Beteiligungsprozesses nicht wieder.

Im Idealfall werden die Erkenntnisse von den politischen Entscheidungsträger:innen bei der Umsetzung eines Vorhabens berücksichtig und im Idealfall sollte die Entscheidungsfindung im Prozess auch transparent sein. Es sollte klar sein, wie Feedback berücksichtigt und Entscheidungen schlussendlich getroffen werden. Eine schwache Kommunikation der Entscheidungen im Beteiligungsprozess kann zu einem Vertrauensverlust führen und dies betrifft nicht nur das Vertrauen der betroffenen Stakeholder in einem spezifischen Beteiligungsprozess. Haben Interessengruppen das Gefühl, dass ihre Bedenken und Perspektiven keinen Einfluss finden, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Legitimität der entwickelten Strategie in Frage gestellt wird oder die Akzeptanz schwindet. Dabei sind Beteiligungsprozesse vor allem bei Querschnittsthemen wie der Kreislaufwirtschaft ein wichtiges Mittel, um politische Strategien auszuloten. Durch die Einbindung verschiedener Interessensverter:innen werden Konflikte und Übereinstimmung für die Erreichung der politischen Ziele sichtbar. Beteiligungsprozesse bieten eine gute Möglichkeit, um wertvolle Ideen und Vorschläge zur Umsetzung politischer Ziele zu sammeln und von bereits vorhandener Expertise zu profitieren.

Warum wir uns nicht aus der Krise raus-recyceln können

Die starke Betonung des Recyclings im Beteiligungsprozess zur Erarbeitung der NKWS erweckt den Eindruck, dass sich ein Großteil der Probleme der Ressourcenkrise durch das Recyceln von Stoffen lösen lasse. Das Recycling steht aber nicht ohne Grund nur an dritter Stelle der Abfallhierarchie. Es ist energieintensiv und diese Energie kann noch nicht durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Nicht alle Stoffe, die technisch recycelbar sind, werden auch tatsächlich recycelt. Derzeit sind 12 % der in Deutschland eingesetzten Rohstoffe Sekundärrohstoffe, bei Ausschöpfung des maximalen Potenzials läge die Quote bei 22 %[1]. Aber auch bei optimierten Recyclingprozessen geht bei jedem Verfahren Material verloren. Je nach Recyclingverfahren ist die Dissipation, also der Verlust von Rohstoffen, unterschiedlich groß. Außerdem werden Wasser, Energie und teilweise Chemikalien verbraucht. Fakt ist auch, dass die Qualität der Materialien sinkt, zum Beispiel durch Verunreinigungen. Hinzu kommt, dass der Bedarf an Rohstoffen rasant wächst und auch mit optimierten Recyclingtechnologien nicht gedeckt werden kann. Verfahren wie das chemische Recycling reihen sich in eine Liste der Technofixes, also technische Lösungen ein, die der Ressourcenkrise (vermeintlich) begegnen, ohne die Logik des Wirtschaftens und des gesellschaftlichen Zusammenlebens verändern zu wollen – auch sie werden im Stakeholder-Prozess umstritten diskutiert.

Recycling ist ein wichtiges Element der Kreislaufwirtschaft und Sekundärrohstoffe aus Recycling sind Primärrohstoffen deutlich vorzuziehen. Es wäre jedoch fatal, das Verständnis von Kreislaufwirtschaft auf Recycling zu beschränken. Die NKWS muss den gesamten Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis zur Entsorgung berücksichtigen. Insbesondere Maßnahmen am Anfang der Wertschöpfungskette, wie Produktdesign und Ressourceneinsatz in der Produktion, lange Nutzungsdauer, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Produkten, können einen großen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten.

Jetzt Ressourcenschutzgesetz verankern

Kreislaufwirtschaft ist kein Selbstzweck. Um einen Beitrag zur Senkung des absoluten Primärrohstoffverbrauchs zu leisten, muss die NKWS die notwendige Verbindlichkeit schaffen, um den absoluten Verbrauch von Primärrohstoffen auf ein sozial gerechtes und verträgliches Maß zu reduzieren. Deshalb muss die Überarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen ein zentraler Bestandteil der NKWS sein. Notwendig ist ein Ressourcenschutzgesetz mit mittel- und langfristigen absoluten, quantifizierbaren und verbindlichen Zielen zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs.

Anika Bender ist Referentin für Rohstoff- und Ressourcenpolitik beim Forum Umwelt und Entwicklung und begleitet mit dem Netzwerk Ressourcenwende die Erarbeitung der NKWS.

Quellen:

[1] Dittrich, M.; Limberger, S.; Ewers, B.; Stalf, M.; Vogt, R.; Knappe, F. (2021): Sekundärrohstoffe in Deutschland

 

Bild:360dialogues / CC-BY-NC-ND 4.0

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