Zweite Halbzeit für den Klimaschutz 

Rundbrief 2023/3

Der Kampf gegen die Klimakrise als Chance für nachhaltige Entwicklung 

Das 13. Nachhaltigkeitsziel der Agenda 2030 zum Klimaschutz hat mit dem Pariser Abkommen weltweite Verbindlichkeit erhalten. Um die Umsetzung steht es dennoch schlecht, die 1,5 Grad globaler Erhitzung drohen schon bald überschritten zu werden. Um die Kehrtwende zu schaffen, muss die Staatengemeinschaft ärmeren Ländern Partnerschaften und die nötige Finanzierung bieten, die Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung gemeinsam ermöglichen. 

Das 13. der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) steht unter dem Titel „Maßnahmen zum Klimaschutz“. Das Ziel enthält eine Reihe von Handlungsaufträgen, wie Klimaschutz gelingen kann und muss: Treibhausgasemissionen reduzieren und Klimaschutz national umsetzen; sich an Klimaveränderungen anpassen; Gemeinschaften widerstandsfähiger machen und vor Schäden und Verlusten schützen; Klimafinanzierung bereitstellen und damit die besonders vulnerablen Länder und marginalisierte Gruppen unterstützen. 

Seit dem Kyoto-Protokoll von 1997 hatte es fast zwei Jahrzehnte lang kein umfassendes Klimaabkommen mehr gegeben. Zuletzt war der Versuch bei der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 nach jahrelanger Vorbereitung krachend gescheitert. Doch knapp drei Monate nach Verabschiedung der SDGs im Dezember 2015 erreichte die Weltgemeinschaft einen Meilenstein: Sie einigte sich auf das Paris-Abkommen und damit auf die Verpflichtung, die globale Erhitzung gegenüber vorindustriellen Zeiten auf deutlich unter 2 Grad, besser 1,5 Grad zu begrenzen. Im Vergleich zu den SDGs ist das Paris-Abkommen ein rechtlich bindendes Abkommen. Und die jährlichen Weltklimakonferenzen sind in ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit mittlerweile über die SDGs hinausgewachsen. Klingt nach einer Erfolgsgeschichte. Doch wie sieht es mit der Umsetzung aus? 

 

Die globale Bestandsaufnahme ist ein Weckruf 

Zur Halbzeit der SDGs schätzen die Vereinten Nationen den Fortschritt in der Erreichung von SDG 13 als völlig unzureichend ein.[i] Kein einziger Aspekt des Ziels ist auf gutem Weg, erreicht zu werden. Schon jetzt, so der Weltklimarat IPCC, haben wir 1,1 Grad Erderhitzung erreicht.[ii] Mit den aktuellen Klimaschutzplänen steuern wir auf 2,5 Grad Erderhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts zu. Mit jedem Zehntelgrad rücken gefährliche Kippelemente näher und erhöhen das Risiko irreversibler Schäden im Klimasystem.  

Besonders für arme und vulnerable Länder, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, ist das fatal. Ihnen fehlt es an Geld, um sich an die Auswirkungen der Klimakrise anzupassen – auch weil Industrieländer ihr Versprechen nicht einhalten, jährlich 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung zur Verfügung zu stellen. Mit Fortschreiten der Klimakrise verlieren immer mehr Menschen in vulnerablen Gebieten ihre Lebensgrundlage und ihre Chancen auf Entwicklung. 

2023 ist nicht nur Halbzeit für die SDGs, sondern auch der Moment der globalen Bestandsaufnahme (Global Stocktake) des Paris-Abkommens.[iii] Die Bestandsaufnahme zeigt eine gewaltige Lücke zwischen den Pariser Klimazielen und dem aktuellen Klimaschutzpfad. Und sie zeigt: Die Regierungen müssen so schnell wie möglich aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. Sie müssen Menschen befähigen, sich an die Auswirkungen der Klimakrise anzupassen und sich gegen Klimarisiken zu schützen. Und sie müssen diejenigen unterstützen, die durch Extremwettereignisse alles verloren haben.   

 

Paris und SDGs – zwei Seiten einer Medaille  

Doch wie sollen gerade Länder im Globalen Süden diese Maßnahmen umsetzen, wenn sie gleichzeitig vor großen Entwicklungsherausforderungen stehen? Hier halten die SDGs eine wichtige Lektion bereit, denn sie zeigen, dass die verschiedenen Aspekte von Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung eng miteinander verknüpft sind. Klimaschutz, der nachhaltige Entwicklung ausbremst, ist nicht nachhaltig – ein Staudamm etwa, der Energie aus Wasserkraft produziert, aber Anrainer:innen die Nutzung der umliegenden Land- und Forstgebiete versperrt. Klimaschutz, der sich auch auf andere Entwicklungsziele positiv auswirkt, ist dagegen doppelt effektiv. Denn er nutzt positive Wechselwirkungen, die sogenannten Ko-Benefits. Ein Beispiel: Wer klimafreundliche Antriebsformen im Straßenverkehr gegenüber Verbrennern fördert, senkt nicht nur Emissionen. Er trägt auch zur Verbesserung der Luftqualität und damit der öffentlichen Gesundheit bei. Wer nachhaltige Anbaumethoden in der Land- und Forstwirtschaft nutzt, kann sich an Klimaveränderungen anpassen und gleichzeitig Kohlenstoff speichern – ein Beitrag zur Emissionsminderung. 

Ein Ansatz, der Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung zusammenbringt, sind die sogenannten Partnerschaften für eine gerechte Energiewende (Just Energy Transition Partnerships, JETPs). Bei diesen Partnerschaften unterstützen Länder des Globalen Nordens Länder des Globalen Südens dabei, fossile durch erneuerbare Energien zu ersetzen und dabei nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. So können diese Länder sowohl Klimaschutz- als auch Entwicklungsziele erreichen. Auch die Bundesregierung treibt die JETPs aktiv voran.  

 Doch in der zweiten Halbzeit der SDGs gehen Partnerschaften mit einzelnen Ländern nicht weit genug. Alle armen und vulnerablen Staaten im Globalen Süden brauchen mehr Spielraum für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung. Noch immer müssen viele von ihnen ihre Steuergelder in Schuldentilgung stecken, statt sie in Klimaanpassung, Bildung und Ernährung zu investieren. Hier muss Deutschland als einer der größten Anteilseigner der Weltbank wegweisende Initiativen unterstützen, etwa Entschuldungsprogramme oder die Bridgetown-Initiative[iv] des Inselstaats Barbados. 

 

Lektionen für die Bundesregierung 

Der Kampf der Klimakrise und für die Erreichung des SDG 13 ist nicht vorbei. Wenn Mitglieder der deutschen Delegation sich auf den Weg zur nächsten Klimakonferenz machen, sind sie gut beraten, nicht nur das Paris-Abkommen, sondern auch die SDGs einzupacken. Denn Klimaschutz ist ohne nachhaltige Entwicklung nicht möglich – und andersherum auch nicht.

 

Autorin:

 Lisa Jörke ist Referentin für europäische und internationale Klimapolitik bei der Klima-Allianz Deutschland.

 

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