Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle 

Rundbrief 2023/3

Die Ziele stimmen, die Umsetzung muss beschleunigt werden 

Die verlässliche Versorgung mit Energie ist für uns in Deutschland in der Regel selbstverständlich. Selbst im ersten Winter nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise, war die Energieversorgung jederzeit gewährleistet und durch finanzielle Unterstützung auch für die meisten weiterhin bezahlbar. Um auch in einem immer stärker auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystem (Unterziel 7.2) eine bezahlbare und verlässliche Energieversorgung zu garantieren, hat Deutschland in vielen Bereichen positive Entwicklungen vorangetrieben. Dennoch besteht weiterhin Nachholbedarf, der je nach Sektor unterschiedlich groß ist.  

Die ersten Jahre nach Verabschiedung der nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) waren in Deutschland geprägt von einem Fokus auf fossile Energieträger. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist in den letzten Jahren nur leicht angestiegen (vgl. Abb. 1), ihr Anteil am Strommix lag im ersten Halbjahr 2023 bei 57,7 %.[i] Um die Klimaziele zu erreichen, wird der Bedarf an erneuerbarer Energie in Deutschland zukünftig aber deutlich steigen, weil insbesondere die Sektoren Verkehr und Gebäude einiges nachzuholen haben. Hier lag der Anteil an erneuerbaren Energien 2022 bei 17,4 % (Gebäude) bzw. 6,8 % (Verkehr).[ii] Dafür muss zum einen die erneuerbare Stromerzeugung ausgebaut werden, zum anderen fehlt es aber auch an entsprechend aus- und umgebauter Energieinfrastruktur, um die Versorgung sicherzustellen. Beides wurde in Deutschland in den letzten Jahren stark verzögert und nicht mit dem nötigen Engagement vorangetrieben.  

Abbildung 1: In Deutschland installierte Leistung Solarenergie, Windenergie onshore und offshore bis September 2023 sowie Ausbauziele bis 2030.[vi]    © Frida Mühlhof

Erst mit dem Erstarken der Klimabewegung 2019 und vor allem seit Beginn des Kriegs in der Ukraine scheint ein deutlich größeres gesellschaftliches und damit auch politisches Bewusstsein für einen notwendigen Wandel in der Energieversorgung entstanden zu sein.  

Als wichtige politische Handlung hat sich daraus eine Anhebung der Ausbauziele für erneuerbare Energien ergeben (vgl. Abb. 1), die mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel ist.[iii] Bis 2030 hat sich die Bundesregierung zudem das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch auf mindestens 80 % zu steigern.[iv] Damit liegt der Stromsektor auf dem richtigen Pfad, das Unterziel 7.2 zu erreichen.  

Den Ausbau weiter beschleunigen  

Seit ihrem Regierungsantritt hat die Ampel-Koalition viele Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, um den dringenden benötigten Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen. Dazu zählen z.B. das Wind-an-Land-Gesetz, das die Bundesländer verpflichtet, bis Ende 2032 mindestens 2 % der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung zu stellen.[v] Die Gesetze und ihre Umsetzung sind jedoch an vielen Stellen noch nicht ausreichend.  

Zudem gibt es Probleme, die heute angegangen werden müssen, auch wenn sie erst mittelfristig greifen werden, wie etwa der Fachkräftemangel. Andere Maßnahmen wiederum können zeitnah Wirkung entfalten, bleiben von der Bundesregierung aber ungenutzt. So ist der im Koalitionsvertrag festgehaltene Standard, öffentliche Neubauten und in der Regel auch private Neubauten mit Solaranlagen auszustatten (Solarstandard), bislang nicht gesetzlich verankert. Gemeinsam mit anderen Umweltverbänden fordert Germanwatch die Einsetzung eines umfassenden Solarstandards für alle geeigneten Dächer.[vi]

Neben technischen und bürokratischen Hürden muss der Aus- und Umbau des Energiesystems auch gesellschaftliche Akzeptanz für die kommenden Veränderungen sicherstellen. Eine Möglichkeit dafür ist, Bürger:innen mehr Teilhabe an der Energiewende zu ermöglichen, z.B. durch das sogenannte Energy Sharing (die gemeinschaftliche Erzeugung und Nutzung von Strom). Diese europarechtliche Vorgabe wurde in Deutschland jedoch bislang nicht umgesetzt.  

Energiearmut in Deutschland? 

Bereits vor der Energiepreiskrise im vergangenen Winter hatte Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern einen hohen und steigenden Strompreis. Energiekosten werden von allen Personen der Gesellschaft getragen. Haushalte mit niedrigen und geringen Einkommen sind von diesen Kosten jedoch proportional deutlich stärker betroffen, weil ein erheblich größerer Anteil ihres Einkommens für Energiekosten aufgebraucht wird. Gerade auch für Menschen der unteren Mittelschicht, die keine staatliche Unterstützung durch die Grundsicherung erhalten, ist dies ein großes Problem. Diese Gefahr der Energiearmut für einen Teil der Bevölkerung darf von der Bundesregierung und der Gesellschaft in den Debatten rund um die Energiepreise und auch bei der Diskussion um einen möglichen, gedeckelten Industriestrompreis nicht vergessen werden.  

Einen besonders dringenden Handlungsbedarf gibt es im Gebäudebereich, denn hier hat Deutschland die eigenen Klimaziele wiederholt gerissen. Das bedeutet, verstärkt und schnell Erneuerbare Energien-Lösungen für die Gebäudewärme zu finden, was Teile der Gesellschaft ohne entsprechende Unterstützung finanziell jedoch zu überfordern droht. Hier muss die Politik passgenaue Lösungen entwickeln, um soziale und ökologische Ziele zusammen zu bringen. 

Viele wichtige Hebel für die Erreichung des SDG 7 sind in Deutschland bereits festgeschrieben und an vielen Stellen in Politik und Gesellschaft herrscht eine Aufbruchsstimmung. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anstrengungen noch deutlich verstärkt werden müssen, um eine nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung in Deutschland zu gewährleisten.

 

Autorinnen:

Kirsten Kleis war bis Ende September 2023 Referentin für Stromnetze und Erneuerbare Energien bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Tessa-Sophie Schrader ist Referentin für Energiewendeforschung bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Ein besonderer Dank gilt an Frida Mühlhoff, die für das Recherchieren der Daten und Erstellen der Grafik zuständig war.

 

 

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