Auf dem Weg zur Gleichstellung  

Rundbrief 2023/3

Die Bedeutung lokaler Maßnahmen für die Umsetzung von SDG 5   

Die Gleichstellung der Geschlechter bleibt auf globaler Ebene ein weit entferntes Ziel. Auf lokaler Ebene, zum Beispiel im Land Bhutan, konnten zwar Fortschritte im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt und für politische Repräsentation erzielt werden, doch bleiben große Herausforderungen bestehen. Um eine globale Wirkung durch lokale Maßnahmen zu erzielen, setzt sich die Jugendorganisation Gross International Nature (GIN) für die Stärkung von Frauen im Bereich des Umweltschutzes auf Grassroots-Level ein. 

Nach den Daten der Vereinten Nationen ist die Welt weit davon entfernt, das Ziel der Geschlechtergleichstellung bis 2030 zu erreichen. Beim gegenwärtigen Stand des Fortschritts wird davon ausgegangen, dass es 286 Jahre dauern würde, bis diskriminierende Gesetze abgeschafft sind, 140 Jahre, bis Frauen gleiche Rechte und Macht in ihrem Arbeitsbereich erhalten, und 47 Jahre, um Parität in nationalen Parlamenten zu erreichen.[i]  

Das Beispiel Bhutan: Erfolge und Herausforderungen 

Vor dem Hintergrund weltweiter Bemühungen, die 2015 beschlossenen Ziele zu erreichen, lohnt sich ein Blick auf Bhutan und die Arbeit lokaler Organisationen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit in dem kleinen Binnenland in Südasien. 

 Bhutan wird seit 1972 von der Philosophie des Bruttonationalglücks (Gross National Happiness, GNH) geleitet. Dabei handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz, der von Seiner Majestät, dem vierten König von Bhutan, Jigme Singye Wangchuk, begründet wurde. Der Ansatz geht aus einer Entwicklungsphilosophie hervor, die einem sogenannten Mittelweg (Middle Path) folgt. Innerhalb des GNH-Rahmens wird die Gleichstellung der Geschlechter als integraler Bestandteil hervorgehoben, wobei eine Gesellschaft angestrebt wird, in der Männer und Frauen die gleichen Möglichkeiten haben, sich zu entfalten und zum Wohlergehen der Nation beizutragen, während gleichzeitig die Harmonie mit der Natur gewahrt wird.  

Beim Index der geschlechtsspezifischen Ungleichheit (Gender Inequality Index, GII) ist Bhutan auf Platz 98 von 170.[ii] Während sich die Ungleichheiten in den Bereichen Gesundheit und Bildung deutlich verringert haben, gibt es weiterhin Probleme bei der Erwerbsbeteiligung, die bei Frauen nur 53,8 % (konzentriert auf den Agrarsektor) gegenüber 69 % bei Männern beträgt, und bei der politischen Beteiligung von Frauen (aktuell 15,2 % im Parlament). Frauen und Mädchen haben eine doppelte Belastung durch unbezahlte Sorgearbeit (z.B. Betreuung von Kindern und älteren Familienmitgliedern) zu tragen. Außerdem lähmt die geschlechtsspezifische Gewalt, die durch die COVID-19-Pandemie noch verschärft wurde, ein Vorankommen bei der Gleichstellung der Geschlechter.  

Es wurden zwar erhebliche Fortschritte erzielt, darunter die Entwicklung einer nationalen Gleichstellungspolitik, doch die vollständige Umsetzung steht noch aus. Da die Datensysteme für die Überwachung und Bewertung in diesem Bereich nach wie vor unzureichend sind und soziale und kulturelle Normen fortbestehen, die geschlechtsspezifische Rollen aufrechterhalten und die Führungsfähigkeiten von Frauen einschränken, bedarf es engagierten Handelns und erheblicher finanzieller und personeller Ressourcen, um nachhaltige Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter zu erzielen. 

 Lokale Lösungen mit globaler Wirkung 

Während führende Politiker auf globaler Ebene Handlungsleitlinien und Zielvorstellungen entwickeln, sind lokale Projekte notwendig, um eine starke und direkte Wirkung zu erzielen, damit diese Ziele wirklich erreicht werden können. Ein Beispiel ist die Arbeit der kleinen, Jugendorganisation Gross International Nature (GIN). GIN ist eine Umweltschutzorganisation, die von Frauen aus Bhutan, Bangladesch und Nepal gegründet wurde. Sie haben das gemeinsame Ziel, grenzüberschreitende Lösungen für die Umwelt zu finden und gleichzeitig die Gleichstellung der Geschlechter in ihren Aktivismus einzubeziehen. Dieses Engagement zeigt sich in mehreren Projekten und Initiativen, die in den drei Ländern durchgeführt werden.  

In Bhutan hat sich GIN dafür eingesetzt, dass die Stimmen von Frauen aus den Orten, die an vorderster Front von durch den Klimawandel verursachten Verlusten und Schäden betroffen sind, gehört werden und Aufmerksamkeit bekommen. Die Organisation berichtet, dass Frauen eine der am stärksten gefährdeten Gruppen sind, weil sie oft die Hauptlast der Umweltprobleme tragen und deren negative Auswirkungen am meisten spüren. Ein Beispiel ist die Situation von Frau Wangmo, einer alleinerziehenden Mutter von drei Kindern aus der indigenen Gemeinde Merak, die während der so noch nie dagewesenen Schneefälle im Jahr 2022 darum kämpfte, ihr Dach intakt zu halten. Dieses klimatische Ereignis führte zu wirtschaftlichen Verlusten, psychischem Stress bis hin zu lebensbedrohlichen Gefahren. GIN macht auf Geschichten wie diese aufmerksam, um auf die besonderen Herausforderungen hinzuweisen, mit denen Frauen konfrontiert sind, und finanzielle Mittel für ihre Unterstützung zu akquirieren. 

Darüber hinaus befähigt GIN Frauen aktiv dazu, Führungsrollen beim Plastikmüll-Management in ihren Orten einzunehmen, wodurch sie zu Umweltschützerinnen und Vorbildern für Veränderungen werden.  

In ähnlicher Weise hat GIN in Bangladesch und Nepal erfolgreich eine Reihe von Aufklärungsprogrammen zum Klimawandel für Frauen und Jugendliche in den Gemeinden des Bezirks Cox’s Bazaar und im Dorf Kori/Sikles durchgeführt. Mithilfe dieser Initiativen wird das Bewusstsein für Vulnerabilität durch den Klimawandel geschärft und den Teilnehmerinnen Wissen und Instrumente an die Hand gegeben, die sie benötigen, um gegen den Klimawandel und die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern vorzugehen. 

Wenn Frauen beginnen, selbstbestimmt zu handeln und aktiv an Entscheidungsprozessen teilzuhaben, können sie nicht nur ihre unmittelbare Umgebung formen, sondern auch auf globaler Ebene die Transformation vorantreiben und Veränderungen bewirken. Die Organisation Gross International Nature ist ein Beispiel dafür, wie lokale Lösungen eine große Wirkung zur Erreichung globaler Ziele haben können, und zeigt, dass es jede Anstrengung im Streben nach Geschlechtergleichheit und stärkerem Umweltschutz braucht. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass auch die Staats- und Regierungschefs weltweit in ihrer Politik diese Ziele als wichtigste Grundlagen ihres Handelns sehen.

 

Autorin:

Tshering Lhamo ist Absolventin des BSc Environmental Management aus Bhutan. Sie ist Mitbegründerin der Umweltjugendorganisation Gross International Nature (GIN) mit einem Team in Bhutan, Bangladesch und Nepal. Sie setzt sich dafür ein, die Vorreiterrolle von Frauen und Jugendlichen im Umweltbereich durch Lobbyarbeit, Forschung und nachhaltige Technologien zu fördern.

 

[i] United Nations: Gender equality can’t wait – we must achieve it now for current and future generations, https://www.un.org/en/desa/we-must-achieve-it-now-current-and-future-generations 

[ii] UNDP (2022): Human Development Report 2021/2022, https://hdr.undp.org/system/files/documents/global-report-document/hdr2021-22pdf_1.pdf  

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