Technofixes

Rundbrief 2023/1

Verschlimmern Technologien gesellschaftliche Krisen?

Das Rad, der Buchdruck, die Glühbirne, der Herzschrittmacher – die Menschheitsgeschichte ist eng verwoben mit der Erprobung, Anwendung und Verfeinerung von Technologien. Erfindungsgeist und Neugier sind zentrale Eigenschaften des Menschseins und die Förderung technologischer Weiterentwicklungen ist spätestens seit dem Ende des Mittelalters zentraler Kern moderner Gesellschaften in Europa und, in anderer Zeitrelation, weltweit. Diese besondere Beziehung zwischen Mensch und Technologie anzuerkennen, ist wichtig, um sich kritisch mit ihr auseinanderzusetzen. Denn sie ist von Erfolgen ebenso geprägt wie vom Scheitern, von großen Sprüngen in Richtung Moderne und Ausprägungen der grausamsten menschlichen Eigenschaften. Technologie ist nicht wertfrei, neutral oder unabhängig, sondern immer in Beziehung zum Erfindenden, Fördernden, Nutzenden und Profitierenden zu sehen.

Eine kritische Auseinandersetzung mit Technologien ist zeitgemäß und heute vielleicht sogar mehr denn je notwendig. Denn bei technologischen Entwicklungen und den sich um sie drehenden sozioökonomischen und politischen Debatten geht es längst nicht nur um die Weiterentwicklung unserer Gesellschaften. Ohne sich der naiven Vorstellung hinzugeben, dass dies jemals alleiniges Ziel von Technologien war.

Technologien sind zum einen spätestens seit der Kommerzialisierung und Massenverbreitung des Internets 2.0 (Smartphones, Social Media und Integration von Digitalem in Produkte, Industrie und Infrastruktur) allgegenwärtig. Zum anderen befinden wir uns in der größten menschengemachten Katastrophe unseres Planeten, die sich durch multiple ökologische und soziale Krisen äußert: Klimaveränderung, Biodiversitätsverlust, Verschmutzung und steigende Ungleichheit. Die Anwendung von Technologien kann zur Lösung oder Verschlechterung dieser Krisen beitragen.

Angesichts der beiden neuen Bedingungen – Omnipräsenz von Technologien in unserem Leben und deren Rolle bei multiplen globalen Krisen – stellt sich die Frage für das zukünftige Zusammenleben von Mensch und Natur auf einem gesunden Planeten: Sind Technologien Freund oder Feind oder irgendwas dazwischen?

Was sind Technofixes?

An dieser Stelle kann ein Artikel in viele Richtungen gehen und detailliert die Vor- und Nachteile von Technologien analysieren. Hier und in weiteren Artikeln dieses Rundbriefs soll es aber um die Frage gehen, wann Technologien zu Technofixes werden. Darunter verstehen wir die Anwendung von Technologien zur Lösung gesellschaftlicher, umweltpolitischer oder ökonomischer Probleme, die aber genauso gut oder besser durch systemisch-strukturelle Entscheidungen gelöst werden könnten. Oft geht es bei Technofixes darüber hinaus darum, Probleme oder Fehler zuvor eingesetzter Technologien zu korrigieren oder im System einer fehlerhaften Technologie Modifikationen anzuwenden. Viele dieser Technofixes sind zudem im Kontext unserer neoliberal-kapitalistischen Wirtschaft zu betrachten und verfolgen neben dem Zweck der vermeintlichen Problemlösung zumeist vor allem Profitabsichten.

Die theoretische Basis von Technofixes kann zeitlich verschiedenen Menschheitsepochen zugeordnet werden, in Verbindung mit unseren modernen Gesellschaften hat sie ihre Wurzeln aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Weiterentwicklung der westlichen menschlichen Gesellschaften und insbesondere die Formung von Verhaltensweisen durch technologische Erfindungen prägten die Jahre zwischen den Weltkriegen enorm. Das damalige Verständnis, dass zum einen Menschen durch Technologien gelenkt werden können, besser als durch Ordnungspolitik oder gesellschaftliche Normen, und zum anderen Technologien vordergründig immer in Richtung Moderne streben, prägt bis heute das Bild technologischer Errungenschaften.

Hinzugekommen ist seitdem die enorme Ökonomisierung unserer Gesellschaften mit einem aus vielen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge zurückweichenden und zurückgedrängten Staat sowie der dramatischen Beschleunigung globaler Krisen, die dringende Entscheidungen erforderlich machen – oft gegen ökonomische, manchmal auch gegen gesellschaftliche Trends.

Technofixes in der Klimakrise

Besonders gravierend ist die Fokussierung auf Technofixes beim Umgang mit der Klimakrise. Eigentlich ist relativ klar, was zu tun wäre, zuletzt hat der Weltklimarat (IPCC) erneut zentrale Handlungswege in großer Dringlichkeit ausbuchstabiert. Alle Gesellschaften, allen voran im Globalen Norden als Hauptverursacher, müssen jetzt aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. Dazu gehört die Umgestaltung unserer Industrie- und Lebensweise in großem Stil und eine deutliche Reduktion des Ressourcenverbrauchs hin zu mehr Suffizienz. Nur dadurch, gepaart mit systemischen Veränderungen beispielsweise im Agrar- und Verkehrssektor, können wir die Verschärfung der Klimakrise und die damit einhergehende weltweite Ungleichheit aufhalten.

Es ist nachvollziehbar, dass sich dagegen Widerstände zeigen. Denn der Umbau der Wirtschaft und Industrie auf der einen und der Wandel der Lebensweisen ganzer Gesellschaften auf der anderen Seite, kann nicht reibungslos verlaufen. Es ist bezeichnend, wie nun das Technofixes-Narrativ vor allem von liberal-konservativer Seite greift.

Beispielhaft ist hier die kontroverse Auseinandersetzung um E-Fuels zu nennen. Das sind synthetische Kraftstoffe, die ohne Rohöl beispielsweise aus Wasserstoff-Kohlendioxidverbindungen hergestellt werden. Die FDP vertritt die Position, der Verbrennungsmotor sei nicht das Problem, sondern die fossilen Kraftstoffe, mit denen er betrieben werde. Jede Form klimaneutraler Mobilität müsse erlaubt sein und am Ende der Markt entscheiden, welche Technologie sich durchsetze. Technologieoffenheit und Erfindergeist seien notwendig, die Klimaziele könnten nicht erreicht werden, wenn man sich auf einzelne Technologien fokussiere und andere verbiete. 1 Ähnlich argumentieren auch Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion für ein klares Bekenntnis zur Technologieoffenheit, die Innovationen liefere und Arbeitsplätze rette. 2

Die E-Fuels Debatte im März 2023 fiel in die EU-Verhandlungen zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2035. Dieses galt in der EU bereits als gesetzt, Fahrzeuge mit Diesel- und Benzinmotor sollten dann nicht mehr zugelassen werden. Auf Druck der FDP konnte Deutschland dem Verbot nicht zustimmen, obwohl die Grünen den Brüsseler Vorschlag unterstützten. Ende März gab es eine Einigung: Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich klimaneutrale, synthetisch hergestellte Kraftstoffe tanken, dürfen auch nach 2035 neu zugelassen werden.

Was der Streit um E-Fuels bedeutet

Der Streit um E-Fuels ist in vielerlei Hinsicht interessant, schon alleine aufgrund der klaren Brüche zwischen den Positionen der Ampel-Parteien. Vor allem die Positionen der FDP und CDU/CSU offenbaren die immer wiederkehrenden Narrative der Technofixer. Innovation wird als hohes, gar höchstes Gut gehandelt, wobei sich diese so gut wie immer auf technologische Entwicklungen bezieht, selten auf die nicht minder wichtigen sozialen Innovationen. Der intellektuelle Erfinder, oft gleichgesetzt mit einer patriarchalen Figur des Ingenieurs oder Naturwissenschaftlers, als Treiber gesellschaftlicher Entwicklungen steht im Zentrum dieses Menschenbildes. Wer gegen Offenheit und Weiterentwicklung von Technologien steht, sei technologiefeindlich und verstehe ökonomische Zusammenhänge nicht. Durch diese Technikfeindlichkeit würde der wirtschaftliche Wohlstand gefährdet, was zum Verlust von Arbeitsplätzen führen werde. Gegen das Problem selbst, in diesem Fall die Klimakrise, wird nicht argumentiert, jegliche vom aktuellen Wirtschaftsmodell abweichenden Entscheidungen jedoch als radikal gebrandmarkt.

Dabei verkennen die Unterstützer:innen von E-Fuels (bewusst) die wissenschaftliche, politische und globale Realität. Die Produktion von E-Fuels ist extrem stromintensiv. Um wirklich klimaneutral zu sein, müsste der dafür notwendige Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien kommen. Dieser Strom könnte zum einen aber auch direkt in die Elektrifizierung der Industrie oder in ein Elektroauto fließen. Zum anderen sind gerade die Energiequellen für die Herstellung des benötigten Wasserstoffs sowie deren Auswirkung auf Wasserstress in den Produktionsregionen zentrale Kritikpunkte an den vereinbarten Wasserstoffpartnerschaften Deutschlands mit Ländern Westafrikas. 3

Mit Technofixen soll ein bestehendes technologisches System bewahrt werden, mit innovativen Erfindungen, die ein Problem lösen, ohne vermeintlich radikale Veränderungen hervorzurufen und deren Finanzierung der Markt steuert. Tatsächlich wird damit jedoch das eigentliche Problem nicht gelöst.

Mit E-Fuels betriebene Autos sind außerdem viel weniger effizient und ökonomisch tragbar als Verbrenner oder E-Autos, letztere kommen mit der gleichen Energiemenge bis zu 5-mal so weit. Es gibt keine geeigneten Produktionsstätten, weder für E-Fuels selbst noch für Wasserstoff. Die benötigten Kapazitäten können jahrelang nicht bereitgestellt werden, wenn überhaupt jemals. E-Fuels, noch dazu klimaneutrale E-Fuels, sind kurzum derzeit eine reine Erfindung auf dem Papier. Einen sinnvollen Einsatz sehen Expert:innen darüber hinaus nicht im Straßen-, sondern im Schiffs- und Flugverkehr.

E-Fuels sind somit ein klassischer Fall der Technofixes. Ein bestehendes technologisches System soll bewahrt werden, mit innovativen Erfindungen, die ein Problem lösen, ohne vermeintlich radikale Veränderungen hervorzurufen, und deren Finanzierung der Markt steuert. Tatsächlich wird damit jedoch das eigentliche Problem nicht gelöst. Da E-Fuels faktisch noch gar nicht existieren und ihre Produktion und Nutzung noch nicht klimaneutral geschieht, leisten sie keinen Beitrag zur Lösung der Klimakrise, während ihre Unterstützer:innen gleichzeitig strukturelle und konsequente Entscheidungen verhindert haben.

Technofixes sind ein Herrschaftsinstrument

Technofixes und ihre liberal-konservativen Förderer sind einflussreich, auch weil sie sich einfacher Narrative bedienen und häufig ihre tatsächliche Wirkung und Tragfähigkeit nicht beweisen müssen. Es reicht, an den Erfindungsreichtum der Menschen und an die Lenkfähigkeit des Marktes zu glauben. Der Automatismus, der Technologien mit Innovation und somit mit einer gesamtgesellschaftlichen Verbesserung gleichsetzt, erweckt zugleich den Eindruck, dass alle Technologien innovativ seien. Dabei wird an Technologien festgehalten, deren Versprechenshistorie der eines Sci-Fi-Romans gleicht. Die Magie der unbegrenzten Fusionsenergie, die Installation von Sonnenlichtreflektionssegeln in der Atmosphäre zur Senkung der Erderwärmung, neue, sicherere Atomreaktoren – insbesondere technische Lösungen gegen die Energie- und Klimakrise haben Hochkonjunktur. Alte Ideen werden in neuem Gewand wieder hervorgeholt, weil die Erfindung, Entwicklung, Finanzierung, Marktreife angeblich doch immer kurz bevorsteht.

Hinzu kommt, dass Technofixes nicht in einem Machtvakuum passieren. Die ökonomische und damit einhergehende politische Dominanz einiger stark monopolisierter Konzerne führt dazu, dass nicht so sehr die Verbesserung der Lebenssituation des Menschen und bestenfalls der Umwelt bei neuen Technologien im Vordergrund steht, sondern der Mensch vielmehr selbst zum Produkt wird im Spiel der Profitmaximierung einiger weniger Konzerne. Beispielgebend dafür ist die Frage der Privatsphäre. Viele digitale Technologien sammeln und speichern große Mengen an Daten über die Nutzer:innen, ohne dass diese sich dessen bewusst sind oder zustimmen. Diese Daten werden für kommerzielle Zwecke verwendet, was ein großes Risiko für die Privatsphäre der Bürger:innen darstellt. Zudem können vermeintlich neue Technologien auch ein Schlüsselinstrument für Wachstum und Produktivkraftsteigerung darstellen, indem sie unter anderem versuchen, noch mehr Arbeitskraft aus Arbeiter:innen herauszuquetschen, die an menschenverachtende Strategien grenzen. Arbeitszeitoptimierung gepaart mit absoluter Überwachung wie beispielsweise in bestimmten Versandhäusern praktiziert, ist nur eines von zahlreichen Beispielen der negativen Auswirkungen, die im Dienst von Profitmaximierung stehen.

Die vorherrschende Stellung der Konzerne wird dabei nicht nur durch die marktbeherrschende Stellung gefestigt, bei der sie sich selbst Netzwerkeffekte schaffen, sondern auch völkerrechtliche Instrumente wie Investitionsschutzabkommen oder Patentrechte zahlen dabei auf dieses Konto ein. Die Entwicklung von Technologien durch große Konzerne führt oftmals zu einer weiteren Konzentration von Macht und Reichtum. Wenn nur wenige Konzerne die Kontrolle über wichtige Technologien haben, können sie in der Lage sein, den Markt zu monopolisieren sowie ihre Macht und ihren Einfluss auf Kosten der Verbraucher:innen und Gesellschaft als Ganzes auszuweiten.

Privatwirtschaft als Technologieentwickler hinterfragen

Anders als noch in den 1990ern werden IT-Technologien beispielsweise mittlerweile fast ausschließlich vom Privatsektor entwickelt und von der öffentlichen Hand auf diesen ausgelagert. Es wird heutzutage prinzipiell davon ausgegangen, dass staatliche Institutionen nicht in der Lage seien, digitale Technologien zu entwickeln. Der Staat wird entsprechend dem neoliberalen Narrativ der letzten Jahrzehnte als zu wenig innovativ und effektiv beschrieben.

Dies hat Auswirkungen darauf, was entwickelt wird, wie zugänglich diese Technologien sind und welche Möglichkeiten der Staat in seinem Handeln zur Verfügung hat. Öffentliche Institutionen verlieren die Fähigkeit, Technologien selbst zu entwickeln, zu managen oder zu kontrollieren. Wenn Aufträge für neue digitale Technologien vergeben werden, bedeutet das auch, dass öffentliche Vertreter:innen nicht angemessen bewerten können, was der Privatsektor ihnen anbietet. Das kann dazu führen, dass die Notwendigkeit und Nützlichkeit von Technologien, die gekauft oder gefördert werden, nicht angemessen bewertet werden können. Darüber hinaus beeinflusst es die Regulierung dieser Technologien. Oft muss zudem die öffentliche Hand in Auftrag gegebenen Technologien und deren Verwendung vom Privatsektor wieder zurückkaufen.

Was wäre ein sinnvoller Umgang mit Technologien?

Die Entwicklung und Einführung von Technologien, insbesondere durch große Konzerne, ist sorgfältig zu beobachten und zu bewerten. Durch die Förderung von transparenten und demokratischen Entscheidungsprozessen sowie die Schaffung einer breiteren öffentlichen Debatte über die Rolle der Technologie in unserer Gesellschaft kann sichergestellt werden, dass Innovationsvorteile genutzt werden, ohne ihre Risiken zu übersehen oder zu ignorieren.

Die Annahme, dass neue Technologien allein in die Hand der Privatwirtschaft gehören, muss sich grundlegend ändern. Meist werden sie durch öffentliche Forschung angeschoben, doch mangelt es uns am Selbstbewusstsein, „public return on public investment“ zu einer Tatsache zu machen. Wenn öffentliches Geld investiert wurde, dann dürfen die Gewinne nicht in der Konzernhand gehalten werden. Gerade wenn in die Technologie staatliche Fördermittel geflossen sind, wie es bei fast allen technologischen Entwicklungen der heutigen Zeit der Fall ist, zieht das Argument, dass es ohne Profit diese Technologien nicht geben würde, nicht mehr.

Ohne systemisch-strukturelle Lösungen werden wir nicht weiterkommen. Das gilt für den Umgang mit Technofixes genauso wie für legitime und sinnvolle Technologien. Nimmt man erneut die Energiepolitik, so gleicht die Nutzung der Kraft von Sonne und Wind einem menschlichen Geniestreich. Nur kommen die Solarmodule, PV-Anlagen und Windräder nicht von irgendwoher, sondern sind von zahlreichen Rohstoffen abhängig, die noch immer mit Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen einhergehend abgebaut werden. Nicht ohne Grund lautet der eindringliche Slogan: We can’t mine our way out of the climate crisis – wir können uns nicht mit mehr Bergbau aus der Klimakrise retten.

Für die weltweite Energieproduktion und -nutzung geht es nicht ohne systemische Ansätze, die für Technologien maßgebend sein müssen. Dazu gehört die dringende Weiterentwicklung von Recyclingmöglichkeiten für Solarpanels und Windräder, die in eine global gerechte Kreislaufwirtschaft gebracht werden müssen. Ebenso die Begleitung der E-Mobilitätsentwicklung mit großer Vorsicht und Skepsis. Ein Austausch vom Verbrenner durch E-Autos mag zwar die CO2-Bilanz des Verkehrs ausgleichen, wird aber zu einem unkontrollierbaren Anstieg des Bedarfs an Rohstoffen führen. Ein wirklich klimafreundlicher Verkehrssektor braucht soziale und individuelle Lösungen, die u.a. die Reduktion des Verkehrs und der Verkehrswege mit zunehmender Sicherheit und Komfort für die Menschen bringen. Ideen für eine solche Verkehrswende gibt es viele.

Technikethik und Technikfolgenabschätzung müssen Technologien begleiten, spätestens wenn sie zur Lösung gesamtgesellschaftlicher oder gar globaler Probleme genutzt werden. Das gilt für Kommunikationstechnologien genauso wie für Industrietechnologien. Und doch ist der Diskurs beispielsweise über ethische Datennutzung bei Algorithmen, Auswirkungen von Klimamanipulationstechnologien wie Geoengineering auf Menschenrechte und Ökosysteme oder die leider allzu oft eintretende militärische Nutzung von ziviler Technikinfrastruktur – oder andersherum der militärische Ursprung vieler der Technologien, die wir heute nutzen, und dessen Bedeutung – kaum ausgeprägt außerhalb einiger weniger Expert:innenrunden. Um dies zu korrigieren, braucht es politische Prozesse und Plattformen, die Zivilgesellschaft und Bevölkerung effektiv in Entscheidungsprozesse einbeziehen und zu Transparenz sowie Regulierung im Sinne des Gemeinwohls beitragen.

Und schließlich braucht es mehr Gerechtigkeit in der Nutzung und Entwicklung von Technologien. Die internationale Staatengemeinschaft hat die Ungerechtigkeit der Finanzierung und Verbreitung von Technologien durchaus erkannt. In den Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) von 2015 bspw. gibt es einen Absatz zum fairen Technologie- und Wissenstransfer und zur Förderung von wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn.

Die Corona-Pandemie hat diesbezüglich beispielsweise gezeigt, dass es zwar möglich ist, innerhalb kürzester Zeit beeindruckende wissenschaftliche Erkenntnisse über das Virus bis hin zur Entwicklung von Impfstoffen zu erzielen. Die Forschungsinstitute waren aber zum großen Teil in Europa und den USA. Der Unwille, Erkenntnisse, Technologien und Patente zu teilen, führte zu einer globalen Impfungerechtigkeit, die bis heute fortbesteht. Wie hätte die Bewältigung der Corona-Pandemie ausgesehen, wenn es keinen Patentschutz auf die Impfstoffe gegeben hätte? Wenn es in Afrika eine universitäre Forschungslandschaft gäbe wie in Europa? Wenn Wissensaustausch frei wäre und nicht an ökonomische und politische Zwänge gebunden wäre?

 

Autorinnen

Marie-Luise Abshagen und Nelly Grotefendt sind die Erfinderinnen und Organisatorinnen der Tech[no]fixes-Konferenz am 1. Juni 2023 in Berlin.

 

Quellen

  1. FDP (2023): Technologieoffen in die Zukunft – Ein Technologiefreiheitsprinzip gesetzlich verankern
  2. CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag (2022): Kein Verbot des klimaneutralen Verbrennungsmotors – Technologieoffenheit gewährleisten
  3. Heinrich Böll Stiftung (2022): Grüner Wasserstoff – Nachhaltig investieren und fair handeln

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