Goodbye Dampfmaschine

Rundbrief 2023/1

Technischer Fortschritt mit erneuerbaren Energien

Ein Blick auf die Grundlagen der Nutzung von Energie und die Thermodynamik zeigt, dass erneuerbare Energien sowohl die Nutzung von endlichen fossilen Brennstoffen als auch die Umwandlungsverluste von Wärmekraftmaschinen vermeiden. Sie können also helfen, das Problem der Energieversorgung zu entspannen. Aber auch erneuerbare Energieanlagen brauchen Ressourcen und entkoppeln Wachstum nicht von Ressourcenverbrauch. Ein neues Verständnis von Wachstum brauchen wir auch mit erneuerbaren Energien.

Die Ressourcen der Erde sind endlich, mit begrenzten Bodenschätzen und Kapazitäten zur Aufnahme von Schadstoffen durch unsere Ökosysteme. 1970 veröffentlichte der Club of Rome einen Bericht zur Lage der Menschheit mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“. Auch der rumänische Mathematiker und Ökonom Nicolas Georgescu-Roegen verdeutlichte die Wachstumsgrenzen menschlicher Aktivitäten, indem er zeigte, dass unsere Wirtschaftsprozesse den Gesetzen der Thermodynamik unterliegen, weil sie auf Energie und Ressourcen zugreifen 1. Seit einigen Jahren wird diese oft verdrängte Erkenntnis wieder verstärkt aufgegriffen und erneut klargestellt, dass unsere natürliche Umwelt und funktionierende Ökosysteme die Grundlage menschlichen Lebens sind. Anfangs lag der Fokus vor allem auf der Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen – inzwischen werden auch die Übernutzung wichtiger Ökosysteme und Überschreitung ökologischer Grenzen berücksichtigt.

Thermodynamik

Die Verbindung zwischen menschlichem Wirtschaften und daraus folgenden Umweltproblemen ist die Thermodynamik. Thermodynamik (altgr. „thermos“= warm und „dynamis“ = Kraft) oder Wärmelehre behandelt alle Vorgänge innerhalb von Systemen, die Energie umsetzen. Energie tritt in verschiedenen Formen auf: potenzielle Energie, kinetische Energie, elektrische Energie, chemische Energie, Kernenergie, Strahlungsenergie und Wärmeenergie. Die Wärmeenergie hat eine besondere Bedeutung, denn sie tritt immer in Begleitung mit anderen Energieformen auf, z.B. mit Bewegungsenergie (Wärme durch Reibung) oder mit chemischer Energie (Wärme durch Verbrennung). Die Grundprinzipien sind in den Hauptsätzen der Thermodynamik zusammengefasst. Bei der Betrachtung von Energieumwandlungen und -änderungen in Ökosystemen sind der erste und der zweite Hauptsatz besonders wichtig.

Der erste Hauptsatz beschreibt, dass Energie weder neu entsteht noch verschwindet. Sie kann lediglich umgewandelt werden. Bei der Verbrennung von Kohle in einem Kraftwerk beispielsweise wird die chemisch gebundene Energie in mechanische Energie, elektrische Energie und (Ab)Wärme gewandelt. Die Summe der Energieformen bleibt in einem geschlossenen System immer konstant. Man spricht von „Energieerhaltung“. In jedem isolierten oder geschlossenen System ist die Erhaltung der Energie gleichbedeutend mit der Erhaltung der Masse: „Massenerhaltung“..

Der zweite Hauptsatz konkretisiert den ersten und beschreibt, dass thermodynamische Umwandlungsprozesse eine Richtung haben und nicht umkehrbar sind. So wird bei einer Verbrennung chemische Energie in nutzbare Energie (Arbeit) und (Ab)Wärme gewandelt. Die Gesamtenergie bleibt zwar konstant, aber die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten nimmt ab. Bei den Prozessen in der Natur geht keine Energie verloren, aber ein Teil der Energie kann nicht mehr in Arbeit umgewandelt werden und zerstreut sich in Form ungeordneter Moleküle (Wärme). Das Maß für diese Unordnung oder die Irreversibilität eines Prozesses ist die Entropie, eine Größe, die beschreibt, wie hoch die Energie ist, die keine praktische Arbeit mehr verrichten kann – also nicht nutzbar ist.

Auf das wirtschaftliche Handeln übertragen bedeutet die Nutzung von Energie und Materie somit eine Erhöhung der Entropie. Anders gesagt: Während Energienutzung zu Umwandlungsverlusten führt und die Nutzung von Materie diese weiter zerstreut (bspw. Abrieb von Autoreifen), bilden die verbleibenden nutzbaren Energie- und Materialmengen die natürlichen Grenzen wirtschaftlichen Wachstums. Einmal verbrauchte Energie und zerstreute Materie kann ohne äußere Energiezufuhr (also natürlich) nie wieder in den Ausgangszustand versetzt werden.

Fortschritt durch erneuerbare Energien

Die Umwandlungsprozesse von Energie in Wärme, Strom und Bewegung sollen möglichst viel Arbeit verrichten und wenig Entropie erzeugen. Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energieumwandlung in Wärmekraftmaschinen (Turbinen, Dampfmaschinen, Verbrennungskraftmaschinen) wird Energie in Arbeit und Wärme umgewandelt. Dabei sind hohe Umwandlungsverluste und eine Erhöhung der Entropie unvermeidlich. Zudem entstehen klimaschädliches Kohlendioxid, weitere Treibhausgase und Schadstoffe, die die Ökosysteme überlasten und zum Klimawandel beitragen. Außerdem sind die Brennstoffe endlich und fossile Verbrennungsprozesse damit nicht zukunftsfähig.

Die erneuerbaren Energieträger Wind, Wasser und Biomasse basieren auf der unendlichen Sonnenenergie. Sie entkoppeln die Energieversorgung so von den endlichen Ressourcen auf der Erde. Indirekt wurde Sonnenergie bereits frühzeitig als Wind-, Wasserkraft und Biomasse zur Energieumwandlung genutzt, ebenfalls mit Umwandlungsverlusten. Photovoltaik ist noch effizienter, denn sie wandelt die Sonnenenergie direkt in elektrische Energie um, wodurch mechanische Umwandlungsverluste entfallen. Ihre wirtschaftliche Nutzung ist ein technisch bemerkenswerter Fortschritt.

Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien und ohne Wärmekraftmaschinen bringt die Menschheit ins Zeitalter der Stromerzeugung ohne Dampfmaschine.

Kernfusion als Alternative?

Neben der direkten Nutzung der Sonnenenergie durch die erneuerbaren Energien ist die Energieumwandlung der Sonne selbst Vorbild für die technische Nutzung durch Kernfusion. Auch sie macht uns Hoffnung auf eine klimaneutrale und so gut wie unerschöpfliche Energiequelle. Der Vorteil der Kernfusion ist, dass aus sehr geringen Brennstoffmengen sehr große Energiemengen bereitgestellt werden könnten. Kernfusion ist das Gegenteil von Kernspaltung, es verschmelzen zwei leichte Wasserstoffatomkerne zu Helium. Die Masse des neuen schweren Kerns ist leichter als die Summe der beiden leichten Kerne. Dieser Masseunterschied setzt eine gigantische Energiemenge frei. Durch die Kernfusion von einem Gramm Brennstoff wird so viel Energie freigesetzt, wie durch die Verbrennung von elf Tonnen Kohle. Außerdem entstehen bei der Fusion kein Kohlendioxid und fast kein radioaktiver Abfall. Ein Vorteil im Vergleich mit erneuerbaren Energien ist, dass aufgrund der hohen Energiedichte nur geringe Flächen zur Verfügung stehen müssten. Zehn bis fünfzehn Anlagen könnten ganz Deutschland versorgen – so weit die Theorie.

Obwohl die Forschung bis in die 1950er-Jahre zurückreicht, wurde bisher kein Fusionskraftwerk in Betrieb genommen. Planung und Aufwand der Anlagen sind teuer und technisch äußerst aufwendig. Allein die Wärmeisolation im Labor muss die 150 Millionen Grad der „Minisonne“ aushalten. Das größte technische Problem aber sind die Bedingungen zur Erzeugung der enormen Temperaturen. Zudem handelt es sich wieder um Wärmekraftmaschinen mit den entsprechenden Umwandlungsverlusten. Unter den genannten Gesichtspunkten ist anzunehmen, dass Kernfusion bis 2050 keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten wird. Die Technologie ist gegenüber erneuerbaren Energien, die heute technisch und wirtschaftlich nutzbar sind, kaum konkurrenzfähig.

Technischer Fortschritt entkoppelt Wachstum nicht von Ressourcenverbrauch

Der technische Fortschritt durch erneuerbare Energien kann das Problem der Energieversorgung entspannen. Er bietet jedoch keine Lösung für das Wachstumsproblem der Wirtschaft bzw. ihren Ressourcenbedarf und die stetige Umwandlung nutzbarer Materie in nicht nutzbaren Abfall. Zudem ist Wachstum trotz erneuerbarer Energien weiterhin mit höherem Energiebedarf verbunden. Die Vergangenheit zeigt auch, dass höhere Effizienz zu immer mehr Verbrauch und Wachstum und nicht zu Einsparungen führt (Reboundeffekt).

Auch die Nutzung erneuerbarer Energie hat Grenzen, denn erstens brauchen auch Photovoltaik-Anlagen Ressourcen. Zweitens ist Sonnenenergie zwar eine unerschöpfliche Energiequelle, die aber im System Erde in sensible Abläufe, wie Biomasseaufbau und Wetterprozesse eingebunden ist. Dadurch unterliegt ihre technische Nutzbarkeit natürlichen Grenzen. Die Thermodynamik beweist, dass nutzbare Ressourcen kurzfristig weniger und langsamer verbraucht werden müssen und es mittelfristig ein neues Verständnis von Wachstum braucht. Die Ansprüche einer nachhaltigen Ökonomie müssen sich an den Kreisläufen und innerhalb der Reproduktionskapazität der Natur bewegen, um das Abfallproblem zu verringern.

Melanie Degel, die Autor:in, leitet den Bereich Energie, Klima und Infrastrukturen am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin

 

Quellen:

Hieronymus, M. 2018: „Nicholas Georgescu-Roegen (1906-1994): Entropie“, Blog von: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung, Wuppertal Institut, online unter: https://www.postwachstum.de/nicholas-georgescu-roegen-1906-1994-entropie-20180901, zuletzt am 18.3.2023.

SRU 2012: „Verantwortung in einer begrenzten Welt“, Umweltgutachten 2012, Sachverständigenrat für Umweltfragen, online unter: https://umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2012_2016/2012_06_04_Umweltgutachten_HD.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt am 21.3.2023.

Paschotta, R.: “Kernfusion”, RP-Energie-Lexikon, online unter: https://www.energie-lexikon.info/kernfusion.html, zuletzt 25.3.2023.

Stadermann G. (2021): „Das Notwendige möglich machen“, Kapitel 18, 1. Auflage 2021, Kapitel 18, Springer Verlag.

  1. Faber et al. 2023: „Thermodynamik – grundlegende Einsichten für ein Verständnis von Umweltproblemen“, Malte Faber, Marco Rudolf, Marc Frick und Mi-Yong Becker, Herausgeber: Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, AWI DISCUSSION PAPER SERIES NO. 725, zuletzt am 17.3.2023.

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