In Deutschland will die Bundesregierung den Einsatz von Carbon Capture and Storage (CCS) – der Abscheidung von Kohlendioxid und Deponierung unter dem Meeresboden – ermöglichen. Das wird als unvermeidbar angesichts des Scheiterns echter Versuche zur Senkung von Emissionen dargestellt. Der aktuelle Rundbrief zeigt auf, warum die Implementation der Technologie ein Marketing-Coup der fossilen Industrie ist und dabei aktiv effektiven Klimaschutz ausbremst.
Verschiebung von Verantwortung
Die Gesetzgebung zur Ermöglichung von CCS in Deutschland schreitet rasant voran. Dabei wird vor allem über die Auswirkungen von CCS hinsichtlich seines falschen Klimaschutznarrativs, Dekarbonisierung der europäischen Industrie und Umweltbelastungen durch CO2-Deponien diskutiert. Weniger betrachtet werden die Auswirkungen des Aufbaus einer CO2-Entsorgungsstruktur und CCS-Gesetze auf Länder im Globalen Süden. Diese sind schon jetzt direkt betroffen von CCS-Projekten, und auch ein künftiger Export deutschen CO2-Mülls in den Globalen Süden ist langfristig sehr wahrscheinlich.
Braucht es CO2-Speicherung für den Klimaschutz in Deutschland?
Die Welt strebt an, die globale Erwärmung möglichst bei 1,5°Grad Celsius zu stoppen. Deutschland will bis 2045 treibhausgasneutral werden. Dies erfordert jedoch tiefgreifende Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft. Treibhausgasminderungen und natürliche Kohlenstoffsenken spielen die entscheidende Rolle. Unter Umständen muss auch auf technische Lösungen wie CCS zurückgegriffen werden, um unvermeidbare Restemissionen auszugleichen.
Carbon Capture als Reperaturtechnologie
Angesichts der nur zögerlichen Fortschritte bei der Vermeidung von Treibhausgasen werden seit einiger Zeit verstärkt technische Maßnahmen zu ihrer Rückholung aus der Atmosphäre diskutiert, vor allem das Carbon Capture and Storage (CCS). Dabei handelt es sich um eine typische Reparaturtechnologie, die nicht das Problem löst, sondern helfen soll, die Folgen in vertretbarem Rahmen zu halten. Jedoch bestehen große Zweifel, ob sich der Klimawandel auf diese Weise nachhaltig, also auf Dauer, umweltverträglich und zukunftsgerecht bewältigen lassen wird.
Wie der Wind sich dreht
2011 hielt Robert Habeck im schleswig-holsteinischen Landtag zur Ablehnung des CCS-Gesetzes im Bundesrat eine Rede. Dabei sagte er unter anderem: „Österreich nutzt die von der EU eingeräumte Möglichkeit, die dauerhafte geologische Speicherung von Kohlenstoffdioxid zu verbieten. Das sollten wir auch fordern, am besten bundesweit. Wenn das nicht gelingt, dann als klaren Satz ohne Abwägungs-Klimbim als Länderklausel. Dafür sollten wir ab heute kämpfen. Am besten wieder gemeinsam. Schleswig-Holstein ist kein Land für CCS.“
Das Industrial Carbon Management Forum
Mit der Verschärfung der Klimakrise besteht breiter Konsens darüber, dass wir entschlossen und unverzüglich handeln müssen, um den Klimakollaps durch Treibhausgasemissionen zu verhindern. Diese drängenden Fakten stehen allerdings im direkten Widerspruch zu Interessen von Unternehmen und Industrie, die von der andauernden Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe profitieren. Angesichts drohender Profitverluste ist die fossile Industrie nicht bereit, freiwillig ihr Geschäft aufzugeben.
Verkauf falscher Lösungen
Wenn man Politiker:innen und Vertreter:innen von Erdölkonzernen in Brüssel, Norwegen oder Deutschland zuhört, könnte man meinen, dass die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) entscheidend für die Erreichung der europäischen Klimaziele ist. Warum aber wächst dann der Widerstand gegen die CCS-Pläne dieser Länder? Und wieso hat Norwegen einen so großen Einfluss?
Ein riskanter neuer Trend
Unternehmen wollen ihre Emissionen ins Meer leiten, aber diese kostspieligen Bemühungen verzögern nur echte Maßnahmen gegen den Klimawandel. Obwohl die Injektionssysteme auf dem Meeresboden von Unternehmen und Regierungsvertreter:innen immer wieder als sicher angepriesen wurden, bergen neuartige Offshore-CCS-Projekte unkalkulierbare Risiken, erfordern enorme Anstrengungen und Kosten und haben kaum das Potenzial, die globalen CO₂-Emissionen groß zu beeinflussen.
Schauplatz einer Klimalüge
Öl- und Gasförderung in der Nordsee sind auf dem absteigenden Ast, aber die Nordsee ist bereits das Objekt neuer fossiler Träume europäischer Regierungen. Norwegen, Großbritannien, die Niederlande, Belgien und auch Deutschland wollen ihre CO2-Emissionen unter der Nordsee deponieren. Die vorgesehene Infrastruktur und mögliche Leckagen würden den sensiblen und bereits stark genutzten Unterwasserwelten weiter zusetzen.
Zwischen Geopolitik und fossilen Abhängigkeiten
Südostasien und besonders Indonesien sind zu einem Dreh- und Angelpunkt der globalen CCS-Industrie geworden. Nicht nur weil Politiker:innen der Länder die Technologie fördern, um am fossilen Modell festzuhalten, sondern auch weil Länder aus dem Globalen Norden CCS in Klimakooperationen festgeschrieben haben. Damit fließen wichtige Gelder und Ressourcen in eine umstrittene Technologie, statt in eine Transformation vor Ort. Wie wirkt sich das auf die Gesellschaften aus?
Damals wie heute
Die Abscheidung von Kohlenstoff aus Treibhausgasen und die unterirdische Speicherung ist keinesfalls eine neue Erfindung. Die Technik sorgte bereits in den letzten Jahrzehnten für Aufsehen und Widerstand. Immer vorne dabei waren Bürgerinitiativen aus den betroffenen Kommunen, über deren Köpfe hinweg Entscheidungen gefällt wurden, die sie und die Umwelt gefährden. Die Umweltorganisation „BI gegen CO2-Endlager“ ist nun auch gegen die neuen Pläne der Bundesregierung, Kohlenstoffdioxid unter der Nordsee zu verpressen, wieder aktiv.
Die Lüge der Brückentechnologie
Wasserstoff nutzt der Energiewende – aber nicht so, wie die Öl- und Gasindustrie behauptet. Mit trügerischen Metaphern und Falschinformationen wirbt sie für Wasserstoff mit CCS. Das bedroht die Energiewende weltweit und ist mit dafür verantwortlich, dass heute immer noch neue Gasvorkommen erschlossen werden.
Der BECCS Bluff
Die Klimapolitik steht vor einem Richtungswechsel: Statt den geordneten Ausstieg aus fossiler Energie zu vollziehen, stellt die Ampelkoalition jetzt eine Vielzahl von Scheinlösungen parat. Diese ermöglichen es Industrie- und Energiekonzernen faktisch, weiter fossiles Erdgas und Erdöl zu nutzen. Darunter fallen auch Negativemissionstechniken wie BECCS und DACCS.
Mit CCS zur Klimaneutralität?
Die Diskussion über CCS zur Erreichung von Klimaneutralität erlebt in Deutschland eine Renaissance. Diese Entwicklung ist durchaus bemerkenswert, da CCS in Deutschland in den 2000er-Jahren auf massiven Widerstand traf und die Technologie nicht weiter erprobt wurde. CCS wird von den Befürworter:innen als objektiv notwendige, letztlich unvermeidbare Technologie zur Erreichung der Klimaneutralität betrachtet und von den Kritiker:innen kategorisch abgelehnt. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Im Kampf gegen schädliche Megaprojekte ausgezeichnet
Anabela Lemos, mosambikanische Umweltaktivistin und Direktorin der Umweltorganisation Justiça Ambiental (Umweltgerechtigkeit), erhält Anfang Dezember 2024 in Stockholm den alternativen Nobelpreis Right Livelihood Award für ihr Lebenswerk. Seit über 20 Jahren kämpfen Lemos und Justiça Ambiental (JA!) gegen Megaprojekte internationaler Konzerne, die lokale Dorfgemeinschaften vertreiben, Lebensgrundlagen zerstören und den Klimawandel anheizen. Dabei kombiniert die Organisation lokale Mobilisierung und Proteste mit politischer Lobbyarbeit und rechtlichen Mitteln.
Der unsichtbare Hunger
Nach Angaben der UN leidet fast ein Zehntel der Weltbevölkerung unter chronischem Hunger. Das kaputte Welternährungssystem sorgt für Umweltzerstörung, welche wiederum den Hunger befeuert. Trotz dieses Zusammenhangs behandeln wir diese Krisen meistens jedoch als zwei voneinander isolierte Phänomene – mit teils fatalen Folgen für die besonders Betroffenen.
Erfolgreiche Hauptversammlung des UN-Welternährungsausschuss
Ende Oktober kam die 52. Hauptversammlung des UN-Welternährungsausschuss (CFS, Committee on World Food Security), dem inklusivsten Gremium der Vereinten Nationen, in Rom zu einem erfolgreichen Abschuss. Angesichts der sich weiter polarisierenden Weltlage und der notwendigen Sondersitzungen zur Beendigung der Versammlungen der letzten Jahre ein nicht zu unterschätzender diplomatischer Erfolg der Vorsitzenden Nosipho Jezile. Ein Erfolg, der gerade zum zwanzigjährigen Jubiläum der Freiwilligen Leitlinien zum Recht auf angemessene Nahrung wichtige Impulse in die Weltgemeinschaft gibt.
Nachhaltigkeitspolitik mit angezogener Handbremse
In unserer Publikation „Gesetze für Nachhaltigkeit“ haben wir 2021 über 100 Gesetzesvorschläge gesammelt, durch die Nachhaltigkeit verbindlich in der deutschen Gesetzgebung verankert werden könnte. Drei Jahre nach Veröffentlichung der Broschüre und ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl stellt sich die Frage: Wie steht es um die Nachhaltigkeitspolitik der Ampelkoalition?
Nach dem Gipfel ist vor der Konferenz
Ende September 2024 trafen sich Staats- und Regierungschefs in New York zum UN-Zukunftsgipfel und verabschiedeten den Pact for the Future. Dieser Pakt soll die UN auf künftige Herausforderungen vorbereiten und neue Themen auf die Agenda setzen. Die Ergebnisse zur globalen Finanzpolitik sind auch für nachfolgende Großereignisse wie die UN-Konferenzen zum Klimawandel, biologischer Vielfalt oder Entwicklungsfinanzierung relevant. Trotz kleiner Fortschritte verdeutlicht der Gipfel, wie schwer es der Weltgemeinschaft derzeit fällt, Konsenslösungen zu erreichen.
Chemikalienvielfalt
Chemikalien und andere neuartige Substanzen belasten Mensch und Umwelt. Die Anzahl der Chemikalien in der Umwelt überschreitet die planetaren Grenzen und überlastet die regulativen Rahmen, wenn es überhaupt welche gibt. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Viele Lösungen setzen jedoch nicht am Ursprung des Problems an: der Reduzierung der Vielzahl der Chemikalien. Für die chemische Industrie in Deutschland ist die Chemikalienvielfalt nämlich ein Zukunftsmodell.
Schritte zur Umsetzung
Auf der 16. Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt wurden einige wichtige Beschlüsse zur Bewahrung der Biodiversität gefällt, andere wichtige Beschlüsse kamen nicht zum Abschluss, weil die Konferenz unterbrochen werden musste. Neben großen Erfolgen blieben Beschlüsse zur Finanzierung und zum Monitoring aus. Die Mitgliedsstaaten wurden aufgefordert, ihre Biodiversitätsstrategien zu aktualisieren und die Ziele der CBD damit auch national umzusetzen.