Privat vor öffentlich?

Rundbrief 2025/2

Es ist Zeit, sich gegen den Trend zur Privatisierung der Entwicklungsfinanzierung zu wehren

Die Beteiligung privater Geldgeber an der Finanzierung von Infrastruktur und Dienstleistungen ist nicht neu. In den letzten Jahrzehnten hat der Fokus auf die Hebelwirkung privater Finanzmittel jedoch zugenommen, insbesondere nach der Verabschiedung der Aktionsagenda von Addis Abeba (AAAA) auf der 3. Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung (FfD) 2015. Dennoch haben sich die geförderten Initiativen als zu wenig wirksam erwiesen. FfD hat als einziger inklusiver Prozess das Potenzial für transformative Entwicklung im Globalen Süden. Im Vorfeld der 4. FfD-Konferenz (FfD4) in Sevilla bietet sich die Gelegenheit für eine gründliche Überarbeitung der privaten Entwicklungsfinanzierung.

Private Finanzierungsinstrumente werden als Mittel zur Schließung der Finanzierungslücke in der Entwicklungszusammenarbeit[i] und zunehmend auch in der Klimafinanzierung gefördert. Dies wird am besten durch die sogenannte From Billions to Trillions-Agenda veranschaulicht, die von der Weltbank und anderen multilateralen Entwicklungsbanken angeführt wird. Diese Agenda zielt darauf ab, Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich zu verändern. Ihre Befürworter:innen plädieren dafür, sie strategisch dazu einzusetzen, private Finanzierungsströme und einheimische Ressourcen freizusetzen und anzukurbeln. Ihr Ziel ist es, große (ungenutzte) Ersparnisse mit Investitionen im gesamten Globalen Süden zu verbinden. Trotz heftiger zivilgesellschaftlicher Kritik wurde diese Agenda zu einem zentralen Bestandteil der AAAA.

Private Finanzierungen als Wundermittel für Entwicklung

Der Aufstieg der privaten Entwicklungsfinanzierung wird durch einen Diskurs unterstützt, der sich auf den begrenzten fiskalischen Spielraum der Länder des Globalen Südens und auf Behauptungen über die begrenzte Fähigkeit des öffentlichen Sektors konzentriert, qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen zu erbringen. Die Befürworter:innen dieser Agenda verkennen jedoch die jahrzehntelange Strukturanpassungs- und Sparpolitik und den Abfluss von Geldern aus dem Süden in den Norden,[ii] der die Einnahmen aus der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) übersteigt. Außerdem haben die meisten reichen Länder ihre Zusage nicht eingehalten, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens als ODA bereitzustellen. Die Aussichten für 2025 sind sogar noch schlechter, da die ODA der reichen Länder im Jahr 2024 zum ersten Mal seit 2017 zurückgegangen ist. Doch trotz der konzertierten Bemühungen der Weltbank und anderer, die Risiken für private Investoren zu senken, hat sich gezeigt, dass Finanzmittel in Billionenhöhe ausgeblieben sind. Selbst der Chefvolkswirt der Weltbank hat kürzlich zugegeben, dass „sich alles als Hirngespinst erwiesen hat“. Mit anderen Worten: Die Finanzierungslücke bleibt bestehen, und es gibt kaum Anhaltspunkte dafür, dass private Finanzmittel die Sustainable Development Goals (SDG)-Agenda unterstützen würden. [iii]

Im Laufe der Jahre hat sich der Enthusiasmus über das Potenzial privater Finanzierungen zur Verwirklichung der SDGs abgeschwächt. Endlich wird akzeptiert, dass private Investoren sich nicht von Natur aus um die Auswirkungen auf Entwicklung kümmern und an Investitionen in Infrastruktur und grundlegende Dienstleistungen mit der gleichen Einstellung herangehen wie an jede andere Investition: Wird dies die Rendite für unsere Aktionäre maximieren? Wenn das der Fall ist, wie lässt sich das mit einer Agenda vereinbaren, die höchstwahrscheinlich nicht die von privaten Investoren angestrebten Renditen bringt?

Die Entwirrung des Mythos

Die Förderung privater Finanzierungen hat sich in konkreten politischen Ansätzen niedergeschlagen, darunter öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), Mischfinanzierungen (sog. Blending) und andere Mechanismen der Risikominimierung. ÖPPs sind vertragliche Vereinbarungen, bei denen der Privatsektor Infrastruktur und Dienstleistungen bereitstellt, die traditionell vom öffentlichen Sektor erbracht werden wie Krankenhäuser, Schulen, Straßen und Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen. Bei Mischfinanzierungen werden öffentliche Mittel zu Vorzugsbedingungen (d. h. unterhalb von Marktpreisen) mit privaten oder öffentlichen Mitteln kombiniert. Ein gemeinsames Merkmal ist, dass sie darauf abzielen, private Investitionen anzuziehen.

In den letzten Jahren gab es zahlreiche Belege dafür, dass diese Finanzierungsinstrumente nicht so funktionieren, wie die Befürworter:innen behaupten. Die fiskalischen und menschlichen Kosten von ÖPPs sind beträchtlich, was bestehende Schwachstellen verschärfen und zu sozialen Unruhen führen kann. ÖPPs sind in den meisten Fällen eine teure und riskante Art der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, wobei die finanziellen Risiken von der öffentlichen Hand getragen werden.[iv] Das Problem der versteckten Verschuldung durch ÖPPs gegenüber dem Gastland ist besorgniserregend, insbesondere vor dem Hintergrund einer wachsenden Schuldenkrise. ÖPPs werden häufig nicht in Haushalten bilanziert, und es mangelt ihnen häufig an Transparenz, was dazu beiträgt, fiskalische Illusionen zu schaffen. ÖPPs sind in der Regel mit Nutzungsgebühren verbunden, die zur Deckung der Kosten für die Erbringung einer Dienstleistung erforderlich sind. Dies ist bei wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen problematisch, da es das Recht auf Gesundheit, Bildung und Wasser von der Fähigkeit der Menschen abhängig macht, für diese Dienstleistungen zu zahlen. Darüber hinaus können ÖPPs auch die Gleichstellung der Geschlechter verschlechtern, u.a. durch Kürzungen bei öffentlichen Dienstleistungen, die häufiger von Frauen in Anspruch genommen werden und für sie eine Quelle menschenwürdiger Arbeit darstellen.

Mischfinanzierungen bergen ein hohes Risiko, dass die knappen Hilfsgelder von den bedürftigsten Ländern und Menschen abgezogen werden. Sie gehen hauptsächlich an Länder mit mittlerem Einkommen und an rentable Sektoren wie Energie und physische Infrastruktur. Darüber hinaus stehen sie vor großen Herausforderungen bei der Verringerung von Armut und Ungleichheit, wobei in einigen Fällen negative Auswirkungen zu beobachten sind. Darüber hinaus führen Mischfinanzierungen häufig zu neuen Schulden, auch wenn den Begünstigten günstigere Bedingungen als bei kommerziellen Darlehen eingeräumt werden. Schließlich mangelt es bei Mischfinanzierungsprojekten ebenso wie bei ÖPPs an Transparenz, was mit kommerziellen Vertraulichkeitsklauseln gerechtfertigt wird. Dies führt zu einer schwachen Rechenschaftspflicht gegenüber den Gemeinschaften, denen sie eigentlich dienen sollen.

Rückbesinnung auf die entwicklungspolitische Rolle des Staates

Im Vorfeld von FfD4 haben die Länder des Globalen Nordens unablässig für private Finanzierungen geworben und dazu aufgerufen, ein günstiges Umfeld für Unternehmen zu schaffen. Die Global-Gateway-Strategie der Europäischen Union ist ein typisches Beispiel dafür,[v] da sie die Nutzung der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit zur Mobilisierung privater Finanzmittel für die Durchführung von Infrastrukturprojekten fördert. Dabei besteht die Gefahr, dass die geopolitischen Prioritäten der EU in den Vordergrund gestellt werden. Diese Agenda wird wahrscheinlich auf dem Internationalen Wirtschaftsforum, das parallel zur Konferenz in Sevilla stattfindet, gefördert werden, obwohl Bedenken bestehen, dass die FfD-Agenda zunehmend von Unternehmen vereinnahmt werden könnte.

Es stimmt zwar, dass die Länder des Globalen Südens eine Ausweitung privater Investitionen in ihren Ländern gefordert haben. Sie haben aber auch davor gewarnt, dass private Finanzmittel als Ersatz für öffentliche Mittel angesehen werden. Sie haben betont, wie wichtig es ist, ihren politischen Spielraum zu respektieren, um ein geeignetes regulatorisches Umfeld zu schaffen und ihre Industriepolitik zu fördern.

Als Antwort darauf fordern zivilgesellschaftliche Organisationen, dass öffentliche Finanzen als Haupttriebkraft für Entwicklung anerkannt werden und nicht als Sicherheitsnetz für Marktversagen. Sie argumentieren, dass es nicht darum geht, private Renditen zu schmälern, sondern darum, grundlegende Bedürfnisse auf der Grundlage universeller öffentlicher Dienstleistungen zu befriedigen. Dies bedeutet auch eine Aufwertung der entwicklungspolitischen und regulierenden Rolle des Staates. Ohne eine solche Forderung ist es schwierig zu erkennen, wie die private Finanzierung mit der breiteren Entwicklungsagenda in Einklang gebracht werden kann.

FfD4 bietet einen inklusiven Raum, um die Rolle der Akteure des privaten und öffentlichen Sektors zu diskutieren. Sie kann ein Forum sein, in dem das Paradigma der Entwicklungsfinanzierung so umgeschrieben wird, dass es im Interesse der Menschen funktioniert, insbesondere der Schwächsten. Zwischenstaatliche Diskussionen müssen fortgesetzt werden, um sich auf ein umfassendes Instrumentarium politischer Maßnahmen zu einigen, mit denen die Finanzierung des Privatsektors im öffentlichen Interesse und im Hinblick auf die Verwirklichung der SDGs geregelt werden kann. Wird das nicht geschafft, wird eine weitere Chance verpasst.

Dr. María José Romero

Die Autorin ist Entwicklungsökonomin und Policy and Advocacy Manager – Development Finance bei Eurodad, dem Europäischen Netzwerk für Schulden und Entwicklung.

[i] Bayliss, Kate/Romero, María-José/van Waeyenberge, Elisa (2021): Uneven outcomes from private infrastructure finance: evidence from two case studies. In: Development in Practice,31(7), S. 934–945.
https://doi.org/10.1080/09614524.2021.1938513

[ii] Hickel, Jason/Dorninger, Christian/Wieland, Hanspeter/Suwandi, Intan (2022):Imperialist appropriation in the world economy: Drain from the global South through unequal exchange, 1990–2015. In Global Environmental Change, Volume 73, 2022. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2022.102467.

[iii] Mazzucato, Mariana (2025): Reimagining financing for the SDGs: from filling gaps to shaping finance. DESA Policy Brief No. 170. Special issue in collaboration with the United Nations High-level Advisory Board on Economic and Social Affairs. New York.
https://desapublications.un.org/policy-briefs/un-desa-policy-brief-no-170-special-issue-reimagining-financing-sdgs-filling-gaps

[iv] Eurodad (2022): History RePPPeated II – Why Public-Private Partnerships are not the solution. Brüssel.
https://www.eurodad.org/historyrepppeated2

[v] Gerasimcikova, Alexandra/Sial, Farwa (2024): Who profits from the Global Gateway? The EU’s new strategy for development cooperation. Brüssel.
https://www.eurodad.org/who_profits_from_the_global_gateway_the_eu_s_new_strategy_for_development_cooperation