Der World Congress of Families und seine Einflussnahme auf die Anti-LGBTQI+-Gesetzgebung in Ghana
Rechte und fundamentalistische Gruppen bilden einflussreiche internationale Netzwerke, die menschenfeindliche Ideologien verbreiten und Hass schüren. Eines dieser Netzwerke ist der World Congress of Families (WCF). Die Verbindungen bis in Regierungen hinein und die Finanzkraft der mit dem WCF assoziierten Gruppen, die sie gezielt für ihre Lobbyarbeit einsetzen, tragen zur Bedrohung von Menschenrechten und zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräumen in vielen Ländern bei.
Im letzten Jahr verabschiedete das ghanaische Parlament einstimmig einen drakonischen Gesetzentwurf, der sich gegen alle queeren Personen und ihre Unterstützer:innen und Vertrauten richtet.[i] Dieser Gesetzentwurf fordert die Denunzierung von queeren Menschen und sieht bis zu zehn Jahre Haft für LGBTQI+ und ihre Unterstützer:innen vor. Verfasst wurde der Entwurf des Gesetzes 2019 bei einer Konferenz des World Congress of Families (WCF) in Ghana. Queere Personen und Menschenrechtsaktivist:innen versuchen gegen das Inkrafttreten des Gesetzes vorzugehen und reichten Klagen ein, doch der Oberste Gerichtshof Ghanas wies diese ab. Erst mit der Unterzeichnung durch den ghanaischen Präsidenten träte das Gesetz endgültig in Kraft. Der bis Dezember 2024 amtierende Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo unterzeichnete den Gesetzentwurf jedoch zunächst nicht. Grund hierfür könnte die Warnung des ghanaischen Finanzministeriums gewesen sein, dass bei Verabschiedung des Gesetzes Kreditzusagen von Weltbank und IWF gefährdet seien.
Trumps queerfeindlicher Einfluss breitet sich aus
Ein kleiner Lichtblick waren die anfänglichen Äußerungen des seit Januar 2025 regierenden Präsidenten John Dramani Mahama, wonach er ein solches Anti-LGBTQI+-Gesetz für nicht nötig hielt. Aber nun liegt es wieder im Parlament vor – und Mahama scheint es plötzlich doch zu unterstützen. Aussagen des neuen Präsidenten aus der jüngeren Zeit erinnern dabei stark an Äußerungen von Donald Trump. Die aktuell LGBTQI+-feindliche Politik der USA scheint nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Ghana negative Auswirkungen zu haben. Der ghanaische Abgeordnete und Pfarrer John Ntim Fordjour ist ein starker Unterstützer des queerfeindlichen Gesetzes und sagte kürzlich: „Wir haben den Gesetzesentwurf unterzeichnet und ihn ordnungsgemäß dem Präsidenten vorgelegt. […] Das globale politische Klima ist günstig für konservative Werte, wie die mutigen konservativen Äußerungen von Präsident Donald Trump zeigen.“[Übers. d. Verf.].[ii] Die ghanaische Opposition befürchtet, dass auf Grund der neuen US-Politik unter Trump Strafmaßnahmen durch die Weltbank und den IWF im Falle der Verabschiedung des Gesetzes weniger wahrscheinlich sind. Personen aus dem engen Umfeld von Trump sind wiederum mit dem WCF und anderen queerfeindlichen Organisationen, die unter anderem in Ghana lobbyieren, eng verwoben.
Diese Ereignisse geben erneut Anlass, den WCF und seine Geldflüsse als einen der Hauptakteure der Anti-LGBTQI+-Bewegung näher unter die Lupe zu nehmen. Sein zunehmender Einfluss ist besorgniserregend.
Der World Congress of Families: politisch rechts, queer- und frauenfeindlich
Der WCF ist ein international agierendes und höchst einflussreiches Netzwerk ultrakonservativer und rechter Organisationen und Personen, das unter dem Deckmantel des Christentums eine antifeministische, explizit queerfeindliche Agenda verfolgt. Im Zentrum steht der vermeintliche Schutz der „natürlichen Familie“, definiert als monogames heterosexuelles Ehepaar mit biologischen Kindern. Als Bedrohung gelten Abtreibung, Queerness, gleichgeschlechtliche Ehe und Migration. Auf den Versammlungen des WCF treffen sich Nationalist:innen, Populist:innen, Abtreibungsgegner:innen und Anti-LGBTQI+-Aktivist:innen mit Evangelikalen und ultrakonservativen Katholik:innen aus verschiedensten Nationen, geeint durch ihre rechten Forderungen, die sie selbst als „Familienpolitik“ bezeichnen.
Gegründet im Jahr 1995 vom russischen Soziologen Anatoly Antonov und dem US-amerikanischen Professor Allan Carlson, knüpft der WCF an die US-amerikanischen „Kulturkämpfe“ über Themen wie Abtreibung, Familienwerte und Homosexualität an, die nach dem Ende der Sowjetunion auch in Russland Verbreitung fanden. Die beiden Gründer teilen die gemeinsame Erfahrung der Ablehnung ihrer Ansichten durch den akademischen Mainstream der Familiensoziologie sowie die Sorge um die demografische Entwicklung aufgrund des Rückgangs der Geburtenraten, für den sie die Popularität des Feminismus und die Homosexualität verantwortlich machten.[iii] Allan Carlson war zur Zeit der Gründung des WCF der Präsident des Howard Center for Family, Religion and Society in Rockford, Illinois. Dieses nennt sich seit 2016 International Organization for the Family (IOF) und nimmt ebenfalls eine Schlüsselrolle beim queerfeindlichen und Anti-Abtreibungs-Lobbying ein.
International gut vernetzt – von den USA über Russland und Europa bis nach Ghana
Der WCF unterhält nicht nur Verbindungen zu rechten Organisationen weltweit, sondern auch zu konservativen Regierungen, und versucht, diese Verbindungen kontinuierlich auszubauen. Dadurch konnte das Netzwerk bereits Einfluss auf Gesetzgebungen in einigen Ländern nehmen, insbesondere durch die Förderung von Anti-LGBTQI+-Gesetzen. Beispielhaft für die machtvollen Verbindungen sind die in Russland bestehenden engen Verknüpfungen mit der russisch-orthodoxen Kirche, dem Putin-Regime und Oligarchen. Auch anhand der Redner:innen-Liste der WCF-Konferenzen werden die einflussreichen Koalitionen sichtbar: So eröffnete der ungarische rechtskonservative Premierminister Viktor Orbán die Konferenz des WCF 2017 in Budapest. 2019 sprach bei einer Konferenz des Netzwerks in Verona der damalige italienische Innenminister und stellvertretende Regierungschef Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega Nord, dem immer wieder Nähe zu neofaschistischen Gruppen vorgeworfen wird.
Millionen von Dollar für menschenfeindliches Lobbying
Wie viel Geld hinter den mit dem WCF assoziierten Gruppen steckt, ist auf Grund der Intransparenz der Organisationen schwer zu beziffern. Eine Recherche von openDemocracy legte 2019 offen, dass aus den USA seit 2008 über 50 Mio. US-Dollar an Dark Money (dunklem Geld) nach Europa transferiert wurden, um politischen Einfluss gegen Abtreibungsrechte, die LGBTQI+-Community, Sexualkunde und Frauenrechte zu nehmen.[iv] Dark Money ist ein im englischsprachigen Raum geläufiger Begriff für Geld das von Personen oder Organisationen stammt, deren Namen nicht offengelegt werden und das möglicherweise mit illegalen oder schädlichen Aktivitäten in Verbindung steht. Das Geld wurde durch zwölf fundamentalistische Gruppen der US-amerikanischen christlichen Rechten verteilt, von denen mindestens fünf mit dem WCF verknüpft sind, und zwei der Hauptgeldgeber (zusammen 20 Mio. US-Dollar) stehen mit der Trump-Regierung und dem Rechtspopulisten Steve Bannon in Verbindung. Geld floss dabei nicht nur an einschlägige Organisationen und Aktivist:innen, sondern auch in Lobbyarbeit und -büros bei nationalen Regierungen und in Brüssel.
Ein Bericht des European Parliamentary Forum for Sexual & Reproductive Rights (EPF) aus dem Jahr 2021 fügte hinzu, dass die Gesamtsumme der Finanzierung von Anti-Gender-Maßnahmen aus Russland, den USA und Europa zwischen 2009 und 2018 wohl mindestens 707,2 Mio. US-Dollar betrug.[v] Erschreckend ist zudem, dass dieser Betrag stetig anwächst – allein im Jahr 2018 kamen 96 Mio. US-Dollar zusammen.
Zwischen 2019 und 2022 erhöhten sich auf dem afrikanischen Kontinent die jährlichen Gesamtausgaben von christlich-rechten US-Organisationen, die dafür bekannt sind, dass sie sexuelle und reproduktive Rechte ablehnen, um etwa 50 %. Dies zeigte die Analyse ihrer Finanzunterlagen durch das Institute for Journalism and Social Change (IJSC).[vi] Insgesamt belief sich die Summe, die diese Organisationen nach Ghana, Südafrika, Uganda, Sambia und Tansania überwiesen, im genannten Zeitraum auf 16,5 Mio. US-Dollar.
Derzeit ist der afrikanische Kontinent stark im Visier des WCF, wo dieser bereits mehrere Konferenzen veranstaltete und auf Regierungen wie die Ghanas Einfluss nahm. Bereits 2015 berichtet die Human Rights Campaign Foundation (HRCF) davon, dass die zunehmende Präsenz des WCF auf dem afrikanischen Kontinent mit einer beunruhigenden Zunahme harter Strafen für LGBTQI+ einhergeht. Auch im Mai dieses Jahres ist in Kenia eine Konferenz zu „Familienwerten“ geplant, an der Mitgliedsorganisationen des WCF sowohl als Sponsoren als auch als Redner:innen beteiligt sind.
Internationale Aufmerksamkeit und Einsatz für Menschenrechte sowie Solidarität mit queeren Menschen dringend notwendig
Es benötigt internationale Aufmerksamkeit, Lobbyarbeit für Menschenrechte und starke öffentliche Unterstützung für die LGBTQI+-Community, um der finanzstarken rechten und queerfeindlichen Lobby entgegenzustehen. Die Einschränkung von Menschenrechten für LGBTQI+ ist als großes Warnsignal für die ganze Gesellschaft zu betrachten und betrifft nie nur diese Gruppe allein. Stattdessen müssen solche Tendenzen als alarmierendes Merkmal von Shrinking Spaces verstanden werden – der zunehmenden Einschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume.
Maike Adams
Die Autorin arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei SÜDWIND e.V. zu Shrinking Spaces und Gender.
[i] Adams, Maike/Dufner, Ulrike/Neu, Isabella (2025): Zivilgesellschaft unter Druck: Ghanas LGBTQI+ von massiven Repressionen bedroht. Bonn.
https://www.suedwind-institut.de/fileadmin/Suedwind/Publikationen/2025/FS-2025-01-Ghana-Zivilgesellschaft-unter-Druck.pdf
[ii] https://www.mambaonline.com/2025/03/06/ghana-despair-as-extreme-anti-lgbtq-bill-returns-to-parliament/
[iii] HRCF (2015): Exposed: The World Congress of Families. An American Organization exporting hate.
https://assets2.hrc.org/files/assets/resources/ExposedTheWorldCongressOfFamilies.pdf, S. 7.
[iv] https://www.opendemocracy.net/en/5050/revealed-trump-linked-us-christian-fundamentalists-pour-millions-of-dark-money-into-europe-boosting-the-far-right/
[v] Neil Datta, Neil (2021): Tip of the Iceberg: Religious Extremist Funders against Human Rights for Sexuality & Reproductive Health in Europe 2009-2018. Brüssel.
https://www.epfweb.org/node/837
[vi] The Institute for Journalism and Social Change (2024): Following the money – Inside the U.S: Christian Right’s spending boom in Africa.
https://www.theijsc.org/s/Inside-The-US-Christian-Rights-Spending-Boom-in-Africa-IJSC.pdf, S. 5.