Ignoranz gegenüber den Grundlagen des Lebens

Rundbrief 2025/2

Die Notwendigkeit, den Schutz der biologischen Vielfalt zu finanzieren

Im Dezember 2022 warteten Delegierte und Beobachter:innen gespannt auf die letzte Plenarsitzung der Vertragsstaatenkonferenz (COP) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD). In den frühen Morgenstunden des 19. Dezember setzte der chinesische Präsident den Hammer an, um den Beschluss 15/4 zu verabschieden: den neuen globalen Rahmen für die biologische Vielfalt mit 23 Zielen, die zusammen einen Weg zu einem Leben in Harmonie mit der Natur bis 2050 gewährleisten würden. Trotz aller Euphorie über das Erreichen eines solchen Meilensteins gab es auch einen bitteren Beigeschmack: Die Einigung stieß auf erhebliche Proteste insbesondere der afrikanischen Staaten, allen voran der Demokratischen Republik Kongo, die von den Ländern des Globalen Nordens größeres finanzielles Engagement für den Erhalt der biologischen Vielfalt forderten.

Zwei Jahre später ist die Mobilisierung von Ressourcen nach wie vor eine der am heftigsten diskutierten Fragen im Rahmen der CBD. Dies ging so weit, dass die Plenarsitzung der letzten COP 16 im Jahr 2024 ohne eine Einigung beendet werden musste. Einige Monate später, auf der wieder aufgenommenen COP 16.2, wurde schließlich die neue Strategie zur Ressourcenmobilisierung vereinbart. Gleichzeitig arbeiten die Regierungen am Abschlussdokument für die 4. Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung (FfD4). Das globale internationale Finanzsystem soll reformiert werden, um die Verwirklichung der SDGs zu beschleunigen. Zu den wichtigen Diskussionen gehören die Fragen, wie die Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) besser auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung abgestimmt werden können, wie Ländern mit hoher Verschuldung mehr fiskalischer Spielraum eingeräumt, die Fähigkeit zur Mobilisierung inländischer Ressourcen erhöht werden kann und wie multilaterale und nationale Entwicklungsbanken reformiert werden können. Trotz der harten Bemühungen im Rahmen der CBD, scheinen die an der FfD4 beteiligten Regierungsvertreter:innen diese nicht zur Kenntnis zu nehmen. Während der Verlust der biologischen Vielfalt in die vorliegenden Entwürfe des Abschlussdokuments eingehen wird, werden viele bereits vereinbarte Maßnahmen nicht einmal erwähnt.

Finanzielle Ziele im Rahmen des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework

Gemäß den Zielen 18 und 19 des Globalen Rahmens für die biologische Vielfalt müssen die Länder jährlich 700 Mrd. US-Dollar für die biologische Vielfalt aufbringen. Die Rechnung geht folgendermaßen: Die Länder sollten schädliche Subventionen in Höhe von etwa 500 Mrd. US-Dollar reformieren oder abschaffen und jährlich 200 Mrd. mobilisieren. Von diesen 200 Mrd. sollten mindestens 30 Mrd. aus ODA- und anderen internationalen Mitteln stammen. Weitere Quellen sind inländische und private bzw. sog. gemischte Mittel oder die Nutzung von Synergien (z. B. mit der Klimafinanzierung) oder „innovative“ Lösungen (Zahlungen für Ökosystemleistungen, Biodiversitäts-Offsets und -Gutschriften oder Mechanismen für den Vorteilsausgleich). Bislang ist die internationale Gemeinschaft jedoch nicht in der Lage, dieses Ziel zu erreichen.

In Ziel 18 haben sich die Regierungen verpflichtet, bis 2025 umweltschädliche Subventionen zu ermitteln und sie zu reformieren oder auslaufen zu lassen, um schädliche Finanzströme bis 2030 zu reduzieren. Laut den Biodiversitäts-Finanzierungstrends 2024 haben bisher mindestens 36 Länder (von 196 Vertragsparteien) damit begonnen, ihre Subventionen zu analysieren.[i] Im ersten Entwurf des FfD4-Ergebnisdokuments werden nur Subventionen für fossile Brennstoffe erwähnt. Im Hinblick auf die biologische Vielfalt sollten jedoch auch die Subventionen für Landwirtschaft und Fischerei nicht vernachlässigt werden.

Was die Mobilisierung von Ressourcen für Ziel 19 betrifft, so sind die Ergebnisse ebenfalls verbesserungsfähig. Genaue Zahlen sind schwer zu ermitteln, aber wie Untersuchungen mehrerer Nichtregierungsorganisationen zeigen, belaufen sich die internationalen Finanzmittel von Regierungen, Philanthropen und Unternehmen für das Engagement im Bereich der biologischen Vielfalt bis Ende 2024 auf insgesamt 8,2 Mrd. US-Dollar jährlich.[ii] Dank der Einbeziehung der biologischen Vielfalt in andere Projekte werden die endgültigen Zahlen wahrscheinlich höher ausfallen, aber höchstwahrscheinlich 20 Mrd. US-Dollar jährlich bis 2025 nicht erreichen.

Direkte Finanzierung und andere Fragen

Die inländische Förderung der biologischen Vielfalt ist die bei Weitem größte Finanzierungsquelle für die biologische Vielfalt. Sie beschränkt sich nicht nur auf Umweltministerien, sondern ist vielmehr eine Querschnittsaufgabe, die Politikbereiche wie Tourismus (Naturerbe, Ökotourismus), Landwirtschaft (ökologischer Landbau, Agrarökologie, einheimische Arten), Handel (Grenzkontrollen, z. B. zur Verhinderung invasiver gebietsfremder Arten) und sogar Verteidigung (das Militär besitzt oft große Flächen) umfasst. Es versteht sich von selbst, dass Finanzministerien ebenfalls sehr wichtige Akteure innerhalb der Regierung sind, die über die Ausgaben für die biologische Vielfalt entscheiden.

Zwar haben sich die Regierungen im Rahmen der CBD darauf geeinigt, mehr Mittel für die biologische Vielfalt bereitzustellen, allerding werden viele Länder zunehmend durch ihren Schuldendienst eingeschränkt. Die Finanzierung von Zinsen oder die Rückzahlung von Schulden ist für viele Länder inzwischen ein größerer Posten in ihrem Haushalt als ihre Investitionen in Gesundheit, Bildung und andere soziale Dienstleistungen. Jetzt in widerstandsfähige Ökosysteme zu investieren, ist die beste Investition in die Zukunft. Widerstandsfähige Ökosysteme sind im Allgemeinen besser in der Lage, die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen, Naturkatastrophen zu verringern, eine gesunde Ernährung zu gewährleisten oder Luft und Gewässer zu reinigen. FfD4 muss daher sicherstellen, dass die Regierungen in ihre Zukunft investieren und ihre Verpflichtungen aus den Verhandlungen zum Übereinkommen von Rio erfüllen können.

Große Lücken bleiben

Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt müssen in erster Linie vor Ort durchgeführt werden. Die Verwalter des Landes, oft indigene Völker und lokale Gemeinschaften, Menschen afrikanischer Abstammung, Frauen und Jugendliche sind diejenigen, die vor Ort arbeiten. Es ist bekannt, dass indigene Völker und lokale Gemeinschaften 80 % der biologischen Vielfalt der Erde schützen, obwohl sie nur 5 % der Weltbevölkerung ausmachen.[iii] Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Bewahrer Zugang zu Informationen haben und in die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen einbezogen werden. Das Allerwichtigste wäre, dass sie vor Entscheidungen, die ihre Lebensgrundlage betreffen, konsultiert werden. Wenn ein Land die ILO-Konvention 169 unterzeichnet, verpflichtet es sich, vor jeder Entscheidung die indigenen Völker nach freier vorheriger Information zu konsultieren. Der Zugang zu Finanzmitteln ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Indigene Völker und lokale Gemeinschaften, Frauen und Jugendliche erhalten jedoch nur einen geringen Anteil ODA im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt und haben oft keinen direkten Zugang zu Finanzierungsquellen. Obwohl die Anerkennung indigener Völker und lokaler Gemeinschaften deutlich zugenommen hat und einige spezifische Finanzierungsinstrumente (z. B. das Small Grants-Programm) zur Verfügung stehen, ist der direkte Zugang zu diesen Instrumenten oft noch immer nicht gegeben.

Der internationalen Gemeinschaft muss man zugutehalten, dass in Zielvorgabe 19 f von der Rolle kollektiver Maßnahmen und nicht marktbasierter Ansätze die Rede ist (wenn auch eher als Mobilisierungsinstrument, denn als etwas, das mehr Mittel erhalten sollte). Auf der anderen Seite wird diesem Teil des Ziels nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, trotz der Bemühungen von Regierungen wie der bolivianischen, ihn immer wieder auf den Verhandlungstisch zu bringen.

Insgesamt müssen wir, wenn wir die Finanzierung der biologischen Vielfalt wirklich in den Griff bekommen wollen, die größeren zugrundeliegenden Probleme angehen: Umleitung der Gelder, die derzeit der biologischen Vielfalt schaden, u. a. durch eine Reform der schädlichen Subventionen, aber auch durch strenge ökologische und soziale Schutzmaßnahmen. Zudem ist sicherzustellen, dass die für die biologische Vielfalt bestimmten Gelder bei den Akteuren vor Ort ankommen, die die Arbeit leisten – mit einfachem Zugang zu Finanzmitteln und mit Eigenverantwortung für die Menschen.

Global Youth Biodiversity Network

GYBN ist die offizielle Gruppe für die Jugend bei den Verhandlungen im Rahmen der CBD. Es ist ein internationales Netzwerk von Jugendorganisationen und Einzelpersonen, die sich mit einem gemeinsamen Ziel zusammengeschlossen haben: den Verlust der biologischen Vielfalt zu verhindern und die natürlichen Ressourcen der Erde zu erhalten.

[i] https://www.financebiodiversity.org/2024trends

[ii] https://www.naturefinance.info/

[iii] https://report.territoriesoflife.org/