Menschenrechte zur Stärkung der Entwicklungsfinanzierung
Die derzeitige globale Finanzarchitektur ist nicht zweckmäßig. Stattdessen hält sie historische Ungerechtigkeiten aufrecht. Die 4..Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung (FfD4) bietet eine Gelegenheit, dieses System unter Berücksichtigung der Menschenrechte umzugestalten. Mit einem auf Rechten basierenden gesetzlichen Rahmen für Staateninsolvenzen und eine an Rechten orientierte UN-Rahmenkonvention über internationale Steuerkooperation (UNTC) kann die internationale Gemeinschaft die strukturellen Ungleichgewichte angehen, die lange Zeit Gläubiger und reiche Nationen gegenüber Schuldnerländern und dem Globalen Süden begünstigt haben.
Die Menschenrechte sind ein viel zu wenig genutztes Instrument zur Förderung ökonomischer Gerechtigkeit. Die derzeitige globale Finanzarchitektur, ein Kind der Kolonialzeit, stärkt die Interessen ihrer Gründer, insbesondere reicher Unternehmen und Einzelpersonen, und verschärft die vielfachen Krisen von Klima, Schulden und Ungleichheiten. Lösungen, die auf Steueranreizen oder Subventionen, Deregulierung, Privatisierung, Finanzialisierung und zunehmender Verschuldung beruhen, verschärfen diese Probleme noch weiter. Menschenrechtsorganisationen wie das Center for Economic and Social Rights argumentieren, dass die Verankerung wirtschaftlicher Entscheidungen in den Menschenrechten – und damit die Schaffung einer auf Rechten basierenden Wirtschaft – die Bedingungen dafür garantieren würde, dass alle Menschen in Würde auf einem gesunden Planeten leben können. Ziel ist es, dass alle Menschen in den Genuss aller ihrer Rechte kommen – wirtschaftlicher und sozialer, bürgerlicher und politischer, kultureller und ökologischer – ohne Diskriminierung und, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu schmälern.
Dies ist nicht nur eine Frage der Moral. Die Normen und Grundsätze der Menschenrechte verleihen grundlegenden Werten wie Würde, Gleichheit, Fairness, Inklusion, Solidarität, Zusammenarbeit, Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit Kraft und Konkretheit. Sie sind ein wirksames Instrument, um sich den derzeitigen Angriffen auf Demokratie, Multikulturalismus, öffentliche Güter, Solidarität und Nachhaltigkeit entgegenzustellen.
Entwicklungsfinanzierung unter dem Blickwinkel der Menschenrechte
Die Einbeziehung von Menschenrechtsstandards in die Entwicklungsfinanzierung ist von entscheidender Bedeutung. Sie sind grundlegender Bestandteil des internationalen Rechts und erlegen Staaten Verpflichtungen auf. Sie sind ein wichtiger Maßstab für die Bewertung von Steuersystemen und Entschuldungsregeln und unterstreichen die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit. Die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte zu betrachten, ist beispielsweise der Schlüssel zu einem ganzheitlichen, nachhaltigen Entwicklungsansatz. Menschenrechtsmechanismen bieten wichtige Anhaltspunkte für die Beseitigung von Ungerechtigkeiten in der Vergangenheit und den Aufbau transparenter, integrativer Mechanismen für die Zukunft.
Zu den Verpflichtungen, die die Staaten bei der Ratifizierung von Menschenrechtsverträgen eingehen und die für die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen – und implizit für alle FfD-Themenbereiche – von zentraler Bedeutung sind, gehören:
- Mobilisierung der maximal verfügbaren Ressourcen: Die Menschenrechtsnormen verlangen, dass jeder Staat seine „maximal verfügbaren Ressourcen“ mobilisiert, um die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte schrittweise zu verwirklichen. Um die inländischen Ressourcen zu erhöhen, ist ein progressives und gerechtes Steuersystem unerlässlich.
- Extraterritoriale Verpflichtungen: Staaten müssen nicht nur innerhalb ihrer Grenzen Rechte verwirklichen, sondern haben auch die Pflicht, sich jenseits ihrer Grenzen rechtskonform zu verhalten. Die Anerkennung der extraterritorialen Staatenpflichten ist von entscheidender Bedeutung, da Steuersysteme Auswirkungen über die nationalen Grenzen hinaus haben.
- Zusammenarbeit: Die Charta der Vereinten Nationen beinhaltet die Verpflichtung, weltweit proaktiv und unvoreingenommen zusammenzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung, damit nicht die Fähigkeit der Entwicklungsländer unterminiert wird, ihren Menschenrechtsverpflichtungen aufgrund von Problemen wie Steuerhinterziehung und -vermeidung nachzukommen.
- Gleichheit und Nicht-Diskriminierung: Die Grundsätze der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, die sowohl in der UN-Charta als auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind, sind die Grundlage für progressive Steuerreformen, die Umverteilung von Wohlstand und die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter.
- Transparenz: Transparenz ist ein grundlegendes Menschenrecht und im internationalen Steuerwesen von entscheidender Bedeutung, um Ungerechtigkeiten wie Steuerhinterziehung und -vermeidung zu verhindern. Mangelnde Transparenz ermöglicht Praktiken, die zu erheblichen Einnahmeverlusten führen, insbesondere in Entwicklungsländern.
- Inklusion und Beteiligung: Inklusion und Partizipation stellen sicher, dass alle von Steuerentscheidungen betroffenen Gruppen, insbesondere historisch benachteiligte, ein sinnvolles Mitspracherecht haben. Demokratische Verfahren ermöglichen eine umfassende, informierte Beteiligung und stellen sicher, dass die Entscheidungen fair, gerecht und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen getroffen werden.
- Progressive Verwirklichung ohne Rückschritte: Die Verpflichtung, die schrittweise Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu gewährleisten, indem zügig und wirksam geeignete Schritte unternommen werden, und zwar durch „absichtliche, konkrete und gezielte“ Maßnahmen „in größtmöglichem Umfang“, setzt voraus, dass keine Rückschritte zugelassen werden, die zu einer Verschlechterung der Wahrnehmung der Rechte führen. Maßnahmen, die die Wahrnehmung von Rechten einschränken würden, wie etwa die Kürzung der für öffentliche Dienstleistungen bereitgestellten Haushaltsmittel, dürfen nur das Ergebnis außergewöhnlicher Umstände und vorübergehend sein, müssen ein letztes Mittel darstellen und die Auswirkungen auf die Schwächsten besonders berücksichtigen.
Die Menschenrechte sind eine der drei Säulen, auf denen die UN beruhen. FfD4 als eine von den Vereinten Nationen einberufene Konferenz sollte sich die Menschenrechte zunutze machen, um sich von anderen Foren wie OECD oder WTO zu unterscheiden. Um auf das Beispiel zurückzukommen: Ein faires Steuersystem ist der Grundstein für die Wahrung der Menschenrechte und die Beseitigung von Ungleichheiten. Es generiert Einnahmen für öffentliche Dienstleistungen, verteilt Wohlstand um, begrenzt schädliche Praktiken und stärkt demokratische Regierungsführung. Die Anerkennung von extraterritorialen Staatenpflichten stellt sicher, dass Finanzpolitik grenzüberschreitende und ggf. negative Auswirkungen von Steuerpolitik berücksichtigt. Die gleichzeitige Berücksichtigung der Prinzipien der „maximal verfügbaren Ressourcen“ und extraterritorialen Staatenpflichten kann genutzt werden, die wirksame Bekämpfung illegitimer Finanzströme (IFF) zu fördern. Dazu gehören Informationsaustausch, Rückverfolgung und Sammlung relevanter Finanzdaten, Maßnahmen zur Korruptions- und Geldwäschebekämpfung sowie einheitliche Vorschriften für Berufsgruppen und Institutionen. Das Gleiche gilt für eine größere finanzielle Transparenz und Rechenschaftspflicht, wobei eine robuste Durchsetzung zur Verhinderung und Bekämpfung von IFF sowie zur Sicherstellung und Rückgabe von Vermögenswerten aus illegalen Aktivitäten beiträgt. Die Bekämpfung von Korruption kann das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherstellen, institutionelle Kapazitäten stärken und sich positiv auf die Verwirklichung der Menschenrechte auswirken.
Im Fall übermäßiger Staatsverschuldung könnten Menschenrechtsgrundsätze die Umstrukturierungsbemühungen anleiten. Dazu gehört a) die Pflicht, Umschuldungen mit Menschenrechtsstandards in Einklang zu bringen; b) Menschenrechtserwägungen in die Bewertung der Schuldentragfähigkeit einzubeziehen; c) Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen durchzuführen; d) die wesentlichen wirtschaftlichen und sozialen Rechte unter allen Umständen zu schützen; e) den Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten; f) die Beteiligung der betroffenen Menschen und Organisationen an der Umschuldung sicherzustellen; g) einen Schuldenerlass unter bestimmten Umständen anzuerkennen; sowie h) die menschenrechtliche Verantwortung privater Akteure anzuerkennen.
Durch die Einbeziehung von Menschenrechtsprinzipien in die FfD4-Diskussionen kann Finanzpolitik eine nachhaltige, gerechte und inklusive Entwicklung für alle unterstützen. Die Menschenrechte können und sollten eine stärkere Rolle in den Ergebnissen von FfD4 spielen, indem sichergestellt wird, dass die dort entworfene Finanzpolitik und eingegangene Verpflichtungen mit den globalen Menschenrechtsstandards übereinstimmen; indem Gerechtigkeit und Inklusion Vorrang haben, insbesondere die Gleichstellung der Geschlechter; indem Rechenschaftspflicht, Transparenz und Beteiligung gefordert werden; indem eine verlässliche Entwicklungsfinanzierung gefördert; indem progressive Steuerreformen und tragfähige Institutionen und Verfahren zum Umgang mit nicht-nachhaltigen Schuldenniveaus auf den Weg gebracht werden.
Dr. Maria Ron Balsera
Die Autorin ist Geschäftsführerin des Center for Economic and Social Rights (CESR).