DSI und der Cali Fund

Rundbrief 2025/2

Ein Meilenstein für gerechte Nutzenteilhabe an genetischen Ressourcen

Die Entscheidung der CBD-Vertragsstaaten in Rom markiert einen Durchbruch: Erstmals sollen kommerzielle Nutzer digitaler Sequenzinformationen (DSI) verpflichtend zur Finanzierung der globalen Biodiversitätsziele beitragen. Mit dem neu eingerichteten Cali Fund wird ein gerechter Vorteilsausgleich angestrebt, insbesondere zugunsten indigener und lokaler Gemeinschaften. Noch sind viele Details ungeklärt, doch der Weg zu mehr Fairness und Transparenz ist geebnet.

Bereits im Mai 1992 wurde das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) angenommen. Zentraler Bestandteil der Konvention ist neben dem Schutz der Vielfalt und der Ökosysteme auch das sogenannte Access und Benefit Sharing (ABS) – also der Zugang zu genetischen Ressourcen (Access) und die gerechte Beteiligung an den Vorteilen aus ihrer Nutzung (Benefit Sharing). Konkret bedeutet dies, dass die Herkunftsländer genetischer Ressourcen von deren Nutzern einen finanziellen oder anders gearteten Vorteil erhalten sollen. Dies gilt unter anderem auch für die Bereitstellung von traditionellem Wissen indigener Gemeinschaften und ist im Artikel 15 Abschnitt 8j geregelt.

Die an genetischen Ressourcen besonders reichen Entwicklungsländer versprachen sich von den Verhandlungen zur CBD und damit zum ABS finanzielle Einnahmen sowie Anerkennung und machten ihre Zustimmung zur CBD auch von der Anwendung des ABS abhängig. Zu Recht. Seit Inkrafttreten der CBD ist die technische Entwicklung jedoch weiter vorangeschritten. Damals konnte man nicht wissen, dass man eines Tages nicht mehr physische Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen brauchen würde, um sie wirtschaftlich nutzen zu können, sondern nur noch die genetischen Informationen, die mit Hilfe der digitalen Gensequenzierung (DSI) leicht beschrieben werden kann. Diese neue Entwicklung stellt die Regelung des ABS vor neue Herausforderungen.

Neuer Lösungsansatz zu DSI gefunden

Bereits während der COP 16 in Cali wurde nach einer Lösung gesucht, wie mit der Nutzenteilhabe bei der Nutzung von genetischen Sequenzen umgegangen werden kann. Letztendlich konnte auf der COP 16.2, welche im Februar in Rom stattfand, die Entscheidung 16/2 getroffen werden. Diese fordert im Wesentlichen den privaten Sektor auf, finanzielle Mittel in den sogenannten Cali Fund zu zahlen, aus dem dann die drei Ziele der CBD gefördert werden sollen. Auch wenn noch nicht alle Feinheiten geklärt sind, so ist das doch ein Weg in eine neue Zeit der Finanzierung. Folgende Punkte wurden beschlossen:

  • Kommerzielle Nutzer sollen künftig einen bestimmten Prozentsatz ihres Gewinns in den Fund zahlen.
  • Die Beiträge werden für die Implementierung der CBD verwendet, einschließlich des Global Biodiversity Framework.
  • Mindestens 50 % des Cali Fund gehen an indigene und lokale Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Rolle als Erhalter:innen genetischer Vielfalt.

Das bedeutet, dass große Firmen und andere bedeutende Anwender, welche die DSI nutzen, einen Teil ihrer Gewinne daraus in den Fund einzahlen. Dazu zählen beispielsweise die Pharma- und Kosmetikindustrie, Pflanzen- und Tierzucht und Biotechnologieunternehmen, aber auch die Unternehmen, welche die nötigen Technologien herstellen, einschließlich künstlicher Intelligenz. Wissenschaftliche und öffentliche Datenbanken, öffentliche Forschungseinrichtungen und Firmen, die ohne DSI arbeiten sind ausgenommen.

Mit der Entscheidung werden erstmalig private Quellen für die Finanzierung der Ziele der CBD beziehungsweise des Global Biodiversity Framework erschlossen. Beiträge können auch nicht monetärer Art sein, z.B. in Form von Technologietransfer, technischer Zusammenarbeit oder Infrastruktur. Wie dies bewertet werden kann und soll, ist noch zu klären. Das wird aber nicht durch den Cali Fund geregelt.

Noch viele Fragen offen

Trotz dieses ersten großen Schrittes bleiben noch Fragen und Details offen. Hierzu zählt eine genaue Definition, welche Nutzer genetischer Ressourcen, die auf DSI zurückgreifen, betroffen sind. Genannt werden „große Nutzer“. Doch welche Nutzer gelten als groß, welche als klein? Auch wurde immer noch nicht definiert, was DSI genau ist. Ist es das Genom eines ganzen Organismus, ein Teil oder eine Eigenschaft? Eine Arbeitsgruppe soll das klären.

Der Cali Fund wird beim Multi Partner Trust Fund Office (MPTFO) zusammen mit dem Entwicklungsprogramm (UNDP), dem Umweltprogramm der UN (UNEP) und dem Sekretariat der CBD verwaltet. Ob so viele beteiligte Organisationen die Verwaltung erleichtern, bleibt abzuwarten. Eine neue Finanzierungsquelle ist auf jeden Fall begrüßenswert.

ABS in der EU

Um ABS und damit die EU-Verordnung 511/2014 praktisch umsetzen zu können und den Vorteilsausgleich zu regeln, trat 2014 das Nagoya-Protokoll der CBD in Kraft, ein völkerrechtlich bindender Vertrag. Es hat 141 Mitglieder und stellt ein transparentes bilaterales Rechtssystem dar für Nutzer und Bereitsteller genetischer Ressourcen für die faire und gerechte Nutzenteilhabe der aus der Nutzung erzielten Gewinne.

In Deutschland ist das Bundesumweltministerium (BMUV) mit einem Nationalen Focal Point für die Umsetzung des Protokolls zuständig. In der EU wird in der Kommission Umwelt daran gearbeitet, um ein einheitliches Vorgehen zu erreichen. Dazu treffen sich regelmäßig circa 50 Vertreter:innen der Mitgliedstaaten, der Industrie, Forschungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) zum Austausch, um Nutzer:innen in den Mitgliedsländern besser zu informieren und die nationalen Voraussetzungen für die Umsetzung der Richtlinie zu schaffen.

Bei der Umsetzung des ABS in der EU soll vor allem die Internetplattform DECLARE europäischen Nutzer:innen helfen,[i] die Regelungen einzuhalten. Spanien und Frankreich nutzen eigene Systeme. Die Anzahl der gemeldeten Nutzer:innen steigt ständig und liegt bei zurzeit bei etwa 400. Deutschland (82), Frankreich und die Niederlande haben die meisten Einträge. Alle EU-Mitgliedstaaten haben Stellen eingerichtet, die ihre Nutzer:innen beraten. Spanien hat sich für ein eigenes System entschieden. Doch leider ist der Fortschritt langsam. Das Vorgehen wird als kompliziert angesehen und die Hemmschwellen und Unsicherheiten sind noch immer groß. Die Nutzung ist freiwillig, Sanktionen gibt es nicht.

Die Kommission ruft dazu auf Ideen, Erfahrungen und Berichte zu teilen, die dabei helfen sollen, die Fragen zum Cali Fund zu lösen und die Umsetzung der EU-Verordnung 511/2024 besser umzusetzen. Dies könnte auch von Nichtregierungsorganisationen (NRO), die die Interessen der lokalen und indigenen Gemeinschaften vertreten, besser genutzt werden.

Es ist offensichtlich, dass bei einer derart komplizierten Materie die Länder des Globalen Südens heillos überfordert sind, sowohl was das Wissen über die Regelungen als auch die Abläufe, Rechte und Pflichten angeht. Einige Staaten sind schon weiter, z.B. Brasilien oder Indien, aber was in den Verträgen mit Nutzer:innen stehen muss und wer zuständig ist, ist nicht überall klar. Hier sollten Gelder aus dem Fund eingesetzt werden, um Kompetenzen zu schaffen, damit Gerechtigkeit herrscht. Wenn die EU auf der Nutzer:innenseite schon so lange braucht, wie soll das woanders leicht gehen?

Berichtspflicht 2026

Das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) wurde nach vierjährigen Verhandlungen auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz der CBD angenommen. Es baut auf dem bisherigen Strategischen Plan der Konvention auf und unterstützt die globalen Nachhaltigkeitsziele. Ziel ist es, bis 2050 eine Welt zu schaffen, in der Mensch und Natur im Einklang leben. Das GBF umfasst vier übergeordnete Ziele und 23 Unterziele.

Ziel C, insbesondere Unterziel 13, nimmt dabei die gerechte Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen – einschließlich DSI – in den Fokus. Die Entscheidung zur Einrichtung des Cali Fund zielt genau auf die Umsetzung dieses Ziels ab. Ab Februar 2026 müssen alle Vertragsstaaten der CBD, des Nagoya-Protokolls sowie des Global Biodiversity Frameworks (GBF) Bericht über die Umsetzung ihrer Verpflichtungen erstatten. Dass die Evaluierung aller Abkommen zeitgleich erfolgt, ist zwar arbeitsintensiv, ermöglicht aber eine bessere Gesamtbewertung der Fortschritte – oder auch der Versäumnisse. Denn: Alles hängt miteinander zusammen. Zivilgesellschaft und NROs sollten sich frühzeitig vorbereiten, um ihre Positionen gezielt einbringen zu können – gerade auch mit Blick auf Themen wie DSI, Nutzenteilhabe und gerechte Finanzierungsstrukturen.

Dabei darf nicht vergessen werden: Das Thema Biopiraterie ist keineswegs erledigt – auch wenn es in der öffentlichen Diskussion kaum noch vorkommt. Zugegeben, die Materie ist komplex. Doch gerade das darf kein Argument sein, sich nicht damit auseinanderzusetzen. Denn echte Gerechtigkeit im Zugang zu und Nutzen aus Biodiversität beginnt mit dem politischen Willen, auch schwierige Themen anzugehen.

Ursula Gröhn-Wittern

Die Autorin ist Agraringenieurin und arbeitet als Autorin, Referentin und Moderatorin zu entwicklungspolitischen Themen im Bereich Landwirtschaft, Ernährung und Klima.

Quellen:

Europäische Union (2014): Verordnung (EU) Nr. 511/2014 […] über Maßnahmen zur Einhaltung der Vorschriften des Protokolls von Nagoya in der Union. Brüssel, S. 59–71.
https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2014/511/oj

Gröhn-Wittern, Ursula (2022): Wie sich eine gute Idee auf dem Weg zur Umsetzung selbst verunmöglicht hat. In: Rundbrief des Forums Umwelt und Entwicklung, 3/2022, S. 34.
https://www.forumue.de/wp-content/uploads/2023/01/FORUM_rundbrief322_web-2.pdf

CBD (2024): What has been done on DSI – 2023-2024. Montreal.
https://www.cbd.int/dsi-gr/whatdone/2023-24.shtml

Europäische Kommission (2021): Commission Notice on the Guidance for Users of Genetic Resources and Traditional Knowledge under Regulation (EU) No 511/2014. Brüssel, S. 1-44.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52021XC0112(02)&from=EN

German Nagoya Protocol HuB (2022). The German Nagoya Protocol HuB. Braunschweig.   https://www.nagoyaprotocol-hub.de

[i] https://audiovisual.ec.europa.eu/en/video/I-193088