Die Macht der Monopolisten – ein globales Problem

Rundbrief 2025/2

Die Macht großer Unternehmen ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. In vielen Sektoren dominieren einzelne Konzerne wie Google oder Amazon den Markt. Das schafft problematische Abhängigkeiten und verschärft ökonomische und soziale Ungleichheiten. Die Gewinne konzentrieren sich bei wenigen marktmächtigen Konzernen und bei den Ländern, die auf gewinnträchtige Industrien spezialisiert sind. Es ist an der Zeit, der Monopolisierung global entgegenzutreten.

Einzelne Unternehmen dominieren immer größere Teile der Wirtschaft und unseres Alltags. Wenn wir ein Smartphone nutzen, haben wir die Wahl zwischen zwei Betriebssystemen: iOS von Apple und Android von Google. Google dominiert auch die Internetsuche und wichtige Teile der Onlinewerbung. Der Konzern kann sich so überhöhte Gewinne aus Onlinewerbung aneignen, während viele Medien weniger verdienen.

Wenn wir Lebensmittel einkaufen gehen, landen wir in über 85 % der Fälle bei vier dominanten Anbietern: Aldi, Edeka, Lidl und Rewe. Sie nutzen ihre Macht gegenüber den Zulieferern. Die Konsequenz sind weit verbreitete, unfaire Handelspraktiken und niedrige Einkommen in der Landwirtschaft.

Man könnte viele andere Sektoren durchgehen wie Raffinerien, Halbleiter, den Finanzsektor oder die Containerschifffahrt und würde auf eine hohe Marktkonzentration stoßen. Ihre negativen Folgen treffen auch den Globalen Süden und führen zu einer internationalen Verschiebung von Gewinnen.

Die Ballung wirtschaftlicher Macht in wenigen Händen schadet Gesellschaft, Umwelt und Demokratie. Die dominierenden Unternehmen setzen andere unter Druck, haben die Oberhand gegenüber ihren Kund:innen, sie prägen die Technikentwicklung und verschaffen sich Vorteile auf Kosten anderer. Ihre Marktmacht erleichtert es ihnen, Kosten und Risiken auf ihre Lieferanten und Arbeitnehmer:innen und letzten Endes auf die Gesellschaft abzuwälzen. Durch die Kombination aus ökonomischer Macht und Lobbyarbeit können Großkonzerne Politik beeinflussen und gemeinwohlorientierte Regeln erschweren. Die Macht riesiger Konzerne gefährdet strukturell die Demokratie. Die Kontrolle von Kommunikationskanälen wie Social Media-Plattformen durch einzelne Konzerne und Überreiche ist ein besonderes Risiko.

Marktkonzentration verschärft die globale Ungleichheit

Die Konzentration von Marktmacht verstärkt zudem ökonomische und soziale Ungleichheiten. Mächtige Unternehmen können höhere Gewinne durchsetzen, indem sie eigene Preise erhöhen oder die ihrer Zulieferer drücken. Da Unternehmens- und Aktienbesitz sehr ungleich verteilt ist, profitieren in erster Linie Eigentümer:innen, Investoren und Manager:innen der Firmen. Zugleich wird die Marktmacht entlang globaler Lieferketten weitergegeben. Die dominanten Unternehmen nutzen ihre Verhandlungsmacht gegenüber Zulieferern und verlagern Teile der Produktion in Niedriglohnländer, während sie den Großteil der Margen und Gewinne abschöpfen. So machen die US-Tech-Konzerne hohe Gewinne, während Menschen in Südamerika, Afrika oder Asien belastende oder schlecht bezahlte Tätigkeiten in der Content-Moderation oder der händischen Daten-Aufbereitung übernehmen. Auch im Agrar-Sektor leiden Kleinbäuer:innen und Arbeitende im Globalen Süden unter vermachteten Lieferketten.

Empirische Analysen zeigen eine Verlagerung von Gewinnen von Niedrig- zu Hocheinkommensländern im Zeitalter der Globalisierung. Die Verteilung der Monopolmacht entlang der Lieferketten ist ein wichtiger Grund dafür. Die reichen Länder spezialisieren sich stärker auf Industrien mit hohen Renditen, also hoher Marktmacht und hohen Preisaufschlägen. Die dortigen Unternehmen können hohe Gewinne realisieren. Zugleich sinken die Preisaufschläge etwa in Lateinamerika und Asien. Die Verlagerung von Teilen der Produktion oder Dienstleistungen in den Globalen Süden dämpft die Auswirkungen der Monopolmacht für Verbraucher:innen im Norden und bürdet die Wohlfahrtsverluste den Ländern im Globalen Süden auf. Die Länder der Peripherie, die sich auf Industrien mit niedrigen Gewinnen spezialisieren, werden zu Nettozahlern von Preisaufschlägen im Weltwirtschaftssystem und finanzieren so die Monopolrenten der Länder des Zentrums.[i]

Deshalb ist es unter entwicklungspolitischer Perspektive sinnvoll, das Thema Marktkonzentration aufzugreifen und sich mit der wettbewerbspolitischen Debatte vertraut zu machen. Die Debatte um die Monopolisierung der Wirtschaft hat in den vergangenen Jahre wieder zugenommen und das bietet neue Chancen.

Historisch gab es mehrere Wellen von Monopolisierung und Gegenbewegungen, um diese zu stoppen. Als Ergebnis dieser wechselhaften Geschichte gibt es heute in vielen Ländern Institutionen, die eine übermäßige Konzentration ökonomischer Macht und deren Missbrauch verhindern sollen. Es gibt dafür unterschiedliche Begriffe: Antitrust (USA), Kartellrecht (D) oder Wettbewerbspolitik (EU/D). Die zuständigen Wettbewerbsbehörden haben u.a. die Aufgabe, Fusionen von Unternehmen zu prüfen und ggf. zu untersagen, Kartelle aufzudecken und zu verhindern, dass marktbeherrschende Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen.

Allerdings sind diese Instrumente in den letzten 40 Jahren durch eine neoliberale und ökonomistische Wende geschwächt worden. Die sogenannte Chicago School argumentierte, dass Marktkonzentration vertretbar sei, solange größere Unternehmen effizienter sind. In den letzten Jahrzehnten wurden viele große Fusionen genehmigt. So kauften z.B. Apple, Facebook, Google und Microsoft in den letzten 30 Jahren mehr als 800 Unternehmen auf. Bis 2021 wurde keine dieser Übernahmen durch eine Kartellbehörde untersagt. Die Schwäche der Wettbewerbsbehörden erleichterte den Aufstieg der großen Tech-Konzerne.

In jüngster Zeit gab es jedoch eine Gegenbewegung: die Stimmen für eine striktere Antitrust-Politik mehren sich. In Deutschland führte die Bayer-Monsanto-Fusion zur Gründung der Initiative „Konzernmacht beschränken“, die seitdem zu kartellrechtlichen Fragen arbeitet. Seit Ende 2023 gibt es mit Rebalance Now eine neue Fachorganisation zum Thema Monopolmacht.[ii]

Erste Reformen

Aktuell laufen in den USA mehrere Antitrust-Verfahren, die u.a. auf eine Aufspaltung von Meta und Google abzielen.[iii] Diese Verfahren begannen teilweise in der ersten Amtszeit von Donald Trump. Vor allem Präsident Biden setzte sich dann für einen offensives Vorgehen gegen Marktkonzentration und Vermachtung ein.

Auch in Europa und Deutschland kam es zu Reformen: Das Bundeskartellamt bekam neue Befugnisse, um gegen Tech-Konzerne und dauerhaft vermachtete Sektoren vorzugehen. In Europa wurde der Digital Markets Act beschlossen, der digitalen Gatekeepern eine Reihe missbräuchlicher Praktiken untersagt. Außerdem hat die EU-Kommission bei einigen Fusionen stärkere Bedenken geäußert, sodass z.B. Amazon die Übernahme von iRobot abblies, einem Hersteller von Staubsaugerrobotern. Die Übernahme hätte Amazon viele wichtige Daten aus Privathaushalten geliefert. Im Verfahren gegen Googles Machtmissbrauch in der Onlinewerbung hat die EU-Kommission zum ersten Mal die Abspaltung von Teilen Googles ins Spiel gebracht, was ein wichtiger Schritt zur Machtbegrenzung wäre. Die endgültige Entscheidung steht noch aus.

Chancen und Herausforderungen

Die neue Debatte um Monopolmacht bietet Chancen, die kartellrechtlichen Instrumente stärker im öffentlichen Interesse einzusetzen. Kartellbehörden und Politik müssen gesellschaftliche Belange stärker berücksichtigen und für mehr Beteiligungsmöglichkeiten in den Verfahren sorgen. Bislang ist die Wettbewerbspolitik stark von den großen Unternehmen, ihren Anwälten und Beratungsfirmen geprägt.

Auch inhaltlich gibt es weiter großen Reformbedarf. Gerade die globalen Auswirkungen von Monopolmacht werden bislang zu wenig bearbeitet:

  • Übermächtige Konzerne etwa im Tech-Sektor müssen aufgespalten werden: Entflechtungen sind ein legitimes Mittel und wirkungsvoller, als über Jahre hinweg Symptome dieser Monopolstellungen zu behandeln.
  • Wir brauchen eine striktere Kontrolle großer Fusionen. Dabei müssen ihre Auswirkungen auf Arbeiter:innen, Produzierende und entlang der globalen Lieferketten stärker berücksichtigt werden.
  • Die Auswirkungen von Marktmacht in globalen Lieferketten müssen stärker analysiert und in die Arbeit der Wettbewerbsbehörden eingebracht werden.
  • Wir brauchen eine stärkere Zusammenarbeit mit Partner:innen im Globalen Süden, um dort die gesellschaftlichen Kräfte und die Behörden im Kampf gegen Marktkonzentration zu stärken.[iv]

Das Kartellrecht sollte ein wichtiges Werkzeug für eine ausgewogene Wirtschaft sein, in Europa und global. Dafür braucht es weitere Reformen und eine aktive Zivilgesellschaft in diesem Feld.

Ulrich Müller. Der Autor arbeitet bei Rebalance Now daran, Konzernmacht zu beschränken und eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft zu ermöglichen. Weitere Informationen unter https://rebalance-now.de.

 

Foto © Samuel Regan-Asante/Unsplash