Rundbrief I/2025: Kleider machen Probleme

Rundbrief 2025/1

Der Lebenszyklus der Mode und seine Herausforderungen

Liebe Leserinnen und Leser,

täglich stehen viele vor der Herausforderung: Was ziehe ich an? Kleidung ist mehr als ein Gebrauchsgegenstand, sie spiegelt Identität, Individualität oder Zugehörigkeit zu einem Kollektiv wider. Kleider machen Leute, das war schon immer so, und ebenso waren es schon immer Leute, die Kleider machten. Aktuell gilt dies mehr denn je, denn der Textilmarkt boomt. Die Branche wächst beständig. Immer neue Trends und die Verfügbarkeit von billigen Kunststofffasern heizen das Wachstum an. Sehr zum Leidwesen von Mensch und Umwelt. Denn die Produktion von Textilien geht mit schweren Menschenrechtsverletzungen und enormen Umweltbelastungen einher und das in nahezu jeder Stufe der Wertschöpfungskette.

Die Textilindustrie gilt als Schlüsselindustrie zur Industrialisierung in einem Land – immerhin war sie eine der ersten großen Industrien im entstehenden Kapitalismus des 19. Jahrhunderts. Heute ist sie in Ländern wie Indien, China, Bangladesch, Türkei oder Vietnam ein Treiber für die Wirtschaft und Entwicklung. Die Arbeiter:innen bekommen davon wenig zu spüren, da die Löhne in der Regel nicht zum Leben reichen.

Um die Textilindustrie nachhaltiger zu gestalten, liegt das Handwerkszeug bereit: Lieferkettengesetze und unternehmerische Sorgfaltspflichten auf deutscher und europäischer Ebene verpflichten Unternehmen dazu, Arbeitsrechte und Umweltschutz entlang der Lieferkette zu gewährleisten. Die Ausrede von hiesigen Unternehmen, dass die Verantwortung bei den produzierenden Unternehmen läge, wird somit ausgehebelt. Die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen haben bereits Wirkung gezeigt: Die Produktionsbedingungen in den Ländern verbessern sich.

Neben den arbeitsrechtlichen Aspekten und Standards, die konsequent gestärkt werden müssen, braucht es auch ein Engagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten in eher umweltpolitischen internationalen Abkommen, die andere problematische Aspekte der Textilproduktion adressieren. Über das derzeit verhandelte internationale Plastikabkommen können die massive Zunahme von synthetischen Fasern angegangen und viele giftige Chemikalien, die bei der Produktion zum Einsatz kommen, reguliert werden. Darüber hinaus bietet auch das Globale Rahmenwerk über Chemikalien einen Ansatzpunkt, den Einsatz von umwelt- und gesundheitsschädlichen Chemikalien zu reduzieren. Wenn die bestehende Basel-Konvention, deren Ziel es ist, den Handel mit gefährlichen Abfällen zu minimieren, auf Textilabfälle ausgedehnt werden würde, könnte sich auch der Export von Textilmüll in den Globalen Süden reduzieren. Es gibt also viel Handwerkszeug, aber es mangelt an einer ambitionierten Umsetzung.

Dabei wäre es dringend geboten, die gesamte Modeindustrie neu auszurichten, damit diese innerhalb der planetaren Grenzen wirtschaftet und Arbeits- und Menschenrechte einhält. Neben einer sozial- und ökologisch verträglichen Produktion heißt es auch, dass die Menge an produzierter Kleidung drastisch reduziert werden müsste.

In diesem Sinne, wünsche ich eine spannende Lektüre, Tom Kurz

Bildnachweis:

© Kevin McElvaney – gedreht