Die Auswirkungen der Nassverfahren auf Bangladesch
Die Textilindustrie in Bangladesch umfasst etwa 16.700 Fabriken, erwirtschaftet Exporte im Wert von 23,55 Milliarden Dollar und beschäftigt über 4,22 Millionen Arbeiter:innen. Der weit verbreitete Einsatz gefährlicher Chemikalien in der Nassverarbeitung birgt jedoch erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Sicherere Alternativen und strengere Vorschriften sind von entscheidender Bedeutung, um die Schäden für Menschen und Ökosysteme zu verringern. Ein nachhaltiger Übergang ist unabdingbar, um ein langfristiges industrielles Wachstum und ökologische Verantwortlichkeit zu gewährleisten.
Die Nassverfahren von Textilien sind eine zentrale Phase in der Stoffproduktion. Hier werden sowohl funktionale Eigenschaften als auch ästhetische Merkmale hinzugefügt und so ein erheblicher Mehrwert geschaffen.[1] Die Nassverfahren umfassen verschiedene Arbeitsschritte mit unterschiedlichen Funktionen in der Herstellung von Textilien:
- Schlichten und Entschlichten: Beim Schlichten wird das Garn beschichtet, damit es beim Weben und Stricken leichter verwendet werden kann, beim Entschlichten wird die Stärke durch Hydrolyse oder Oxidation in einen wasserlöslichen Zustand überführt.
- Entschlacken: Bei diesem Verfahren werden Baumwollwachs und andere nichtzellulosehaltige Bestandteile der Baumwolle sowie Reste von Schlichtemitteln aus dem Gewebe entfernt.
- Bleichen: Durch das Bleichen werden natürliche Farbstoffe und Verunreinigungen beseitigt und die Gleichmäßigkeit des Gewebes für den Druck verbessert.
- Mercerisieren: Bei der Behandlung mit konzentrierter Natronlauge werden Gewebe und Baumwollfasern in ihrer grauen Form mercerisiert und der Glanz verbessert.
- Färben: Den Textilien wird mit Hilfe verschiedener Färbetechniken Farbe verliehen.
- Bedrucken: Das Bedrucken ist ein lokales Färbeverfahren, bei dem die Farbstoffe mit Techniken wie Block-, Walzen- oder Digitaldruck aufgetragen werden.
- Veredelung: Die Veredelung ist die abschließende Behandlung, die die Eigenschaften und Qualitäten des Stoffes verbessert (Madhav et al., 2018).
Große Gesundheitsgefahren für die Arbeiter:innen
Textilarbeiter:innen sind schweren beruflichen Gefahren und Berufskrankheiten ausgesetzt, darunter Lungenkrankheiten, Fortpflanzungsstörungen und psychischer Stress, wobei die chemische Belastung in der Nassverarbeitung ein erhebliches Risiko darstellt. Trotz der Empfehlungen für persönliche Schutzkleidung und Sensibilisierungsmaßnahmen vernachlässigen die Arbeiter:innen oft ihren Schutz, was ihre Gefährdung erhöht. Die ESDO (Envrionment and Social Development Organization) hat in einem gemeinsamen Projekt mit HEJ Support und weiteren NGOs aus Bangladesch und Deutschland[2] im Jahr 2024 eine Studie erstellt. Hier konnten in Ashulia, Dhaka, schädliche Chemikalien wie PFOA, DEHP und Arsen in Textilabwässern gefunden werden, die u.a. zu Hautkrankheiten, Atemwegsproblemen und gesundheitlichen Komplikationen bei Müttern führen. Die geringe Sensibilisierung für diese Risiken verschlimmert die Situation enorm, was die dringende Notwendigkeit strengerer Sicherheitsvorschriften und eines nachhaltigen Chemikalienmanagements unterstreicht.
Eine ganze Liste gefährlicher Chemikalien
Einige der bei der Herstellung von Textilien verwendeten Chemikalien können für Mensch und Natur schädlich sein. Diese Stoffe können sich mit der Zeit anreichern, das Wasser verschmutzen und die Umwelt nachhaltig schädigen.
Tabelle 1: Chemikalien, die in der Nassphase genutzt werden
Arbeitsschritt | Genutzte Chemikalien | Gesundheitsauswirkungen |
Schlichten und Entschlichten | Polyvinylalkohole, Carboxymethylcellulose, Enzyme zur Stärkegewinnung & polyzyklische Säuren | Reizung der Atemwege und Hautausschläge |
Entschlacken | Natriumhydroxid, Natriumcarbonat, Glycerin, Ether & Pektin | Hautverbrennungen, Augenschäden und mögliche allergische Reaktionen |
Bleichen | Hypochlorite, Halogenkohlenwasserstoffe, Wasserstoffperoxide, Essigsäure & Peressigsäure | Verätzungen und langfristige Lungenprobleme |
Mercerisieren | Ätznatron, Tenside, flüssiges Ammonium & Zinkchlorid | Mögliche Langzeitschäden an Lunge und Schleimhäuten |
Färben | Formaldehyd, Natriumchlorid, Schwermetelle, Tenside, Salze und Silfude | Augen- und Organschäden, erhöhtes Krebsrisiko |
Bedrucken | Harnstoff, Polyvinylchlorid & Phthalate | Störungen des Hormonsystems, Reproduktionstoxizität |
Veredelung | Biozide, PFAS & Paraffine | Störungen des Hormonsystems, Schädigungen des Immunsystems, Bioakkumulation |
Die Abwässer sind eine Katastrophe für die Umwelt
Bei der Nassverarbeitung von Textilien werden viele biologisch nicht abbaubare und giftige Chemikalien verwendet. Nach der Produktion bleiben große Mengen ungenutzter Chemikalien und Prozesswasser zurück. Das beim Färben und Ausrüsten freigesetzte Wasser enthält unfixierte Farbstoffe, Chemikalien und Hilfsmittel und bildet Textilabwässer mit organischen und anorganischen Schadstoffen. Biologisch abbaubare organische Stoffe verbrauchen Sauerstoff, wodurch der Sauerstoffgehalt im Wasser sinkt und Wasserorganismen geschädigt werden. Schwebstoffe und eine starke Färbung verringern die Lichtdurchlässigkeit des Wassers. Damit verschlechtert sich dessen Qualität stark und das Leben in den Gewässern wird beeinträchtigt. Darüber hinaus wirken bestimmte Farbstoffe öko-toxisch, z. B. Triphenylmethan-Farbstoffe, verursachen Phytotoxizität, Zytotoxizität und Tumorbildung bei Fischen. Die in den Farbstoffen enthaltenen Schwermetalle, darunter Kupfer, Zink, Chrom und Blei, verunreinigen Wasser und Boden. Diese Schadstoffe können ganze Ökosysteme stören und langfristige Umweltschäden zur Folge haben. Hohe Salzkonzentrationen in den Abwässern zersetzen den Boden und machen ihn für die Landwirtschaft unbrauchbar.[3]
Alternativen statt giftiger Chemikalien
Aufgrund der Kosten und des mangelnden Bewusstseins über die Folgeschäden sträuben sich die Eigentümer gegen sicherere Alternativen und setzen weiter gefährliche Chemikalien ein, die Mensch und Umwelt belasten. Um eine nachhaltige Umstellung zu ermöglichen, sind stärkere politische Maßnahmen, finanzielle Anreize und Sensibilisierungsinitiativen erforderlich. Denn Alternativen sind in jedem Prozessabschnitt verfügbar. Anstelle der gefährlichen und aggressiven Chemikalien, die herkömmlich verwendet werden, könnten vielerorts umweltfreundliche, chemische Ersatzstoffe zum Einsatz kommen. Im Schlichten könnten bspw. anstelle der bisherigen Polyvinylalkohole wasserlösliche Polyvinylalkohole verwendet werden; natürliche Amylasen können zum Entschlacken genutzt werden; zum Färben ließen sich verdünnte Färbemittel einsetzen, die weniger belasten.
Politische Empfehlungen
Die Textilindustrie in Bangladesch unterliegt einer Reihe von Gesetzen und Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmerrechte, zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit und zum Schutz der Umwelt vor industriellen Schadstoffen. Zu den wichtigsten Gesetzen gehört das Gesetz zum Schutz der Umwelt von 1995 (Bangladesh Environment Conservation Act). Es regelt die Verwendung von Industrieabfällen und gefährlichen Chemikalien. Die 1997 eingeführten Leitlinien zum Umweltschutz (Bangladesh Environment Conservation Rules) enthalten spezifische Umweltstandards zur Abfallentsorgung und der Verwendung von Chemikalien. Die Regeln zum Umgang mit gefährlichen Abfällen von 2001 (Hazardous Waste Management Rules), die den Umgang mit gefährlichen Industrieabfällen festlegen und besonders auf den Textilsektor in Bangladesch wirkten. Das Arbeitsgesetz von 2006 (Bangladesh Labour Act) gewährleistet sichere Arbeitsbedingungen sowie Gesundheits- und Sicherheitsstandards für Arbeiter:innen. Ergänzt durch die Arbeitsvorschriften von 2015 (Bangladesh Labour Rules) werden Sicherheitsprotokolle, Arbeitsschutzmaßnahmen und Anforderungen an die Arbeitgeber festgelegt. Das Gesetz für die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz von 2013 (Occupational Health and Safety Policy) zielte auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen. Seit 2021 gibt es auch ein Internationales Abkommen für Gesundheit und Sicherheit in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Hier wurde ein in Bangladesch etablierter Standard zur Sicherheit und für starke Sicherheitsprotokolle in den Fabriken in seinem Geltungsbereich ausgeweitet und fand weitere Unterzeichner.
Die Abhängigkeit der Textilindustrie von gefährlichen Chemikalien bedroht die Sicherheit der Arbeiter:innen, ganzer Nachbarschaften und die Umwelt. Die Einführung umweltfreundlicher Alternativen, strengerer Vorschriften und finanzieller Anreize ist für die Nachhaltigkeit unerlässlich. Um den Einsatz schädlicher Chemikalien in der Textilindustrie Bangladeschs zu reduzieren oder ganz einzustellen, sollten die politischen Entscheidungsträger:innen die bestehenden Vorschriften für gefährliche Stoffe streng durchsetzen und gleichzeitig umweltfreundliche Alternativen fördern. Die Einführung verbindlicher Richtlinien für das Chemikalienmanagement, Anreize für nachhaltige Produktionsverfahren und eine verstärkte Überwachung der Einhaltung können einen branchenweiten Wandel bewirken. Die Priorisierung der Chemikaliensicherheit gewährleistet die langfristige Überlebensfähigkeit der Branche und schützt gleichzeitig Arbeitnehmer:innen und Ökosysteme. Internationale Unternehmen sind auch dafür verantwortlich, sichere, gesunde und umweltfreundliche Produktionsbedingungen zu gewährleisten.
Darüber hinaus können Programme zum Kapazitätsaufbau und Skill-Sharing, die Schulung von Arbeiter:innen und die Zusammenarbeit mit globalen Nachhaltigkeitsinitiativen das Bewusstsein und die Akzeptanz von sichereren Chemikalien verbessern.
Übersetzt aus dem Englischen von Tom Kurz.
- [1] Saxena, S., Raja, A. S. M., & Arputharaj, A. (2016). Challenges in sustainable wet processing of textiles. In Textiles and clothing sustainability: sustainable textile chemical processes (pp. 43-79). Singapore: Springer Singapore.
- [2] https://femnet.de/fuer-frauenrechte/unsere-themen/unternehmensverantwortung-csr-lieferkettengesetz/multi-akteurs-partnerschaft-in-bangladesch.html
- [3] Madhav, S., Ahamad, A., Singh, P., & Mishra, P. K. (2018). A review of the textile industry: Wet processing, environmental impacts, and effluent treatment methods. Environmental Quality Management, 27(3), 31-41.
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