Baumwolle: Gute Faser, schlechte Faser?

Rundbrief 2025/1

Herausforderungen und Chancen der beliebten Naturfaser

Baumwolle hat viele Vorteile: Sie ist ein nachwachsender Rohstoff, biologisch abbaubar, gut zu verarbeiten und angenehm zu tragen. Doch die riesigen Mengen, die für die Textilindustrie produziert werden, und die damit verbundenen Methoden machen die Naturfaser vielerorts zum öko-sozialen Alptraum.

Baumwolle ist die beliebteste Naturfaser der Modeindustrie. Die jährliche Baumwollernte von rund 25 Millionen Tonnen macht ein Viertel der weltweiten Textilfaserproduktion aus. Baumwolle wird in etwa 80 Ländern rund um den Globus angebaut. In Industrieländern wie den USA oder Australien wächst Baumwolle meist in riesigen Monokulturen unter Einsatz von hoch spezialisierten Maschinen und effizienten Bewässerungstechniken. In Afrika und Asien hingegen bauen hauptsächlich Kleinbäuer:innen die Faser mit wenigen und einfachen Hilfsmitteln an. Im Folgenden werden die Probleme des Baumwollanbaus beleuchtet, die je nach Anbauort und Anbauform mehr oder weniger stark ausgeprägt sind.

Viele und besonders giftige Pestizide

Im konventionellen Baumwollanbau kommen besonders viele und besonders giftige Pestizide zum Einsatz. Zum einen ist die Baumwolle sehr anfällig für Schädlinge und Krankheiten, zum anderen wird sie oft in Monokulturen angebaut, was den Schädlings- und Krankheitsdruck weiter erhöht. Außerdem werden die Pflanzen häufig vor der Ernte chemisch entlaubt, wenn diese nicht von Hand, sondern maschinell erfolgt. Die eingesetzten Pestizide belasten den Boden, das Wasser und die Luft und sind maßgeblich für den Rückgang der Biodiversität verantwortlich. Von den zwölf am häufigsten im Baumwollanbau eingesetzten Wirkstoffen gelten zehn als besonders gefährlich für Menschen, Tiere und die Umwelt. In vielen Anbauländern fehlen zudem wirksame Kontrollmechanismen, Schutz- und Hilfsmittel sowie Aufklärung und Schulungen für einen möglichst effektiven und sicheren Pestizideinsatz. Fallstudien mit afrikanischen Baumwoll-Kleinbäuer:innen zeigen, dass über 40 % der Befragten an Vergiftungssymptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel und Krämpfen leiden, die sich auf die Pestizid-Exposition zurückführen lassen.

Genmanipulierte Baumwollpflanzen

Über 70 Prozent der Baumwolle aus konventionellem Anbau stammt von genmanipulierten Pflanzen. Es gibt zwei verschiedene Pflanzeneigenschaften, die durch Genmanipulation erzeugt werden können: Zum einen gibt es Pflanzen, die ein Gift gegen Schädlinge wie den Baumwollkapselbohrer produzieren. Zum anderen gibt es Baumwollpflanzen, die gentechnisch so manipuliert wurden, dass sie gegen Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat unempfindlich sind. Sie überleben die zahlreichen Giftduschen auf dem Acker, während alle anderen Pflanzen absterben.

Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre zeigen, dass der Anbau genmanipulierter Baumwolle die Landwirt:innen in eine Sackgasse führt. Denn immer mehr Insekten und Beikräuter, die auf den Äckern unerwünscht sind, werden unempfindlich gegenüber den Unkrautvernichtungsmitteln und dem Gift, das die Baumwollpflanzen produzieren. Als Folge werden immer mehr Pestizide eingesetzt, was für die Landwirt:innen eine hohe finanzielle Belastung bedeutet. Zudem ist genmanipuliertes Saatgut teurer als herkömmliches und der Nachbau verboten. Die großen Gewinner dieses Systems sind die Agrarkonzerne, die mit dem Verkauf von Saatgut, Pestiziden und Düngemitteln Milliarden verdienen, während Landwirt:innen weltweit um ihr Überleben kämpfen.

Künstliche Bewässerung

Sauberes Wasser ist ein kostbares Gut, das in vielen Regionen der Erde knapp ist. Dabei ist die Landwirtschaft die größte Verbraucherin des verfügbaren Süßwassers: 70 % des Wassers, das aus Flüssen und dem Grundwasser entnommenen wird, gehen auf ihr Konto. Im Baumwollanbau wird rund die Hälfte der Flächen bewässert. Je nach Ausmaß und Bewässerungspraxis kann dies verheerende Folgen haben: Absenkung des Grundwasserspiegels, Versalzung des Grundwassers und der Böden und Verlust von fruchtbarem Oberboden durch Nährstoffauswaschung und Erosion.

Hoher Flächenverbrauch

Baumwolle wird weltweit auf knapp 35 Millionen Hektar Land angebaut. Das sind mehr als zwei Prozent der weltweit verfügbaren Ackerfläche. Würden auf dieser Fläche statt Baumwolle Lebensmittel angebaut, könnten damit etwa 200 Millionen Menschen ernährt werden. In Anbetracht des steigenden Lebensmittelbedarfs durch die wachsende Weltbevölkerung bei gleichzeitigem Verlust von Ackerland durch Klimawandel (z.B. Überschwemmungen oder Verwüstung), Flächenversiegelung (z.B. Städte- und Straßenbau) und Verschlechterung des Zustands der Böden (z.B. Versalzung, Erosion, Verdichtung) sind die Flächen für die Lebensmittelproduktion ohnehin begrenzt. Der Baumwollanbau verschärft die Konkurrenz um wertvolles Ackerland zusätzlich und erhöht den Druck auf bisher nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen. Damit treibt der Baumwollanbau die Abholzung von Wäldern voran und trägt dazu bei, dass in manchen Regionen nicht genügend Lebensmittel für die lokale Bevölkerung zur Verfügung stehen.

Schlechte Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit

Ein großer Teil der Baumwolle wird von Kleinbäuer:innen in Ländern angebaut, in denen niedrige Menschenrechts- und Umweltschutzstandards gelten und die Landwirtschaft wenig technisiert ist. Die harte körperliche Arbeit, der direkte Kontakt mit gefährlichen Pestiziden, das Risiko von Ernteausfällen und die niedrigen Preise für Rohbaumwolle machen das Leben der Bäuer:innen schwer. Besonders erschreckend: Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation müssen weltweit 108 Millionen Kinder in der Landwirtschaft arbeiten – auch auf Baumwollfeldern. Von den zehn größten Baumwollproduzenten (China, Indien, USA, Pakistan, Brasilien, Usbekistan, Türkei, Australien, Kasachstan und Griechenland) gibt es nur in Australien und Griechenland keine dokumentierten Fälle von Kinderarbeit.

Die bessere Alternative: Bio- und Fairtrade-Baumwolle

Wie bei Lebensmitteln sind auch bei Baumwolle die Bezeichnungen „Bio“ und „Öko“ gesetzlich geschützt. Sie dürfen nur verwendet werden, wenn die Baumwolle nach den strengen Regeln der europäischen Ökoverordnung angebaut wurde. Diese verbietet zum Beispiel den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden, leicht löslichen Mineraldüngern und Gentechnik. Das Bio-Zertifikat beinhaltet jedoch keine Sozialstandards. Doch gerade in ärmeren Ländern profitieren Kleinbäuer:innen auch von der ökologischen Wirtschaftsweise: Sie kommen nicht mit gesundheitsgefährdenden Spritzmitteln in Kontakt und müssen kein Geld für chemische Pestizide und Düngemittel oder genmanipuliertes Saatgut ausgeben. Gleichzeitig erzielen sie in der Regel deutlich höhere Preise für ihre Bio-Produkte. Zur Schädlingskontrolle und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit nutzen Bio-Bäuer:innen Mischkulturen und vielfältige Fruchtfolgen, zum Beispiel mit Sojabohnen und Linsen. Damit tragen sie zur lokalen Ernährungssicherheit bei und können Ernteausfälle und Preisschwankungen besser abfedern.

Das Fairtrade-Siegel garantiert hohe soziale Standards wie zum Beispiel einen Mindestpreis für die Baumwolle, der Lebenshaltungs- und Produktionskosten decken soll. Liegt der Marktpreis höher, bekommen die Landwirt:innen diesen ausgezahlt. Zusätzlich fließt eine Fairtrade-Prämie in Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort, etwa den Ausbau der Infrastruktur und Bildung. Besonders gefährliche Pestizide und genmanipuliertes Saatgut sind beim Anbau von Fairtrade-Baumwolle verboten.

Die beiden Siegel zeigen: Der umwelt- und sozialverträgliche Anbau von Baumwolle ist möglich. Ein Blick auf die Zahlen zeigt aber auch, dass diese Anbauformen bisher kaum eine Rolle spielen. Der Anteil von Fairtrade-zertifizierter Baumwolle an der weltweiten Produktion liegt bei 0,03 %, der von Bio-zertifizierter Baumwolle bei 1,4 %.

Ein Wandel auf allen Ebenen ist notwendig

Öko-faire Baumwolle kann neben anderen Naturfasern wie Leinen, Hanf oder Brennnessel einen wertvollen Beitrag zu einer nachhaltigen Textilwirtschaft leisten. Auch bei der Herstellung halbsynthetischer Fasern, die ebenfalls aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden und biologisch abbaubar sind, gibt es vielversprechende neue und nachhaltige Entwicklungen. Die Faser Lyocell beispielsweise wird wie Viskose aus Holz gewonnen, aber ohne den Einsatz giftiger Lösungsmittel. Auch aus Abfällen der Lebensmittelproduktion, zum Beispiel nicht zum Verzehr geeigneter Milch oder Orangenschalen, werden Textilfasern hergestellt.

Doch ohne einen grundlegenden Wandel in der gesamten Modeindustrie bis hin zu den Konsumgewohnheiten wird es nicht gelingen, innerhalb der planetaren Grenzen zu wirtschaften. Neben einer öko-fairen Produktion müssen wir die riesigen Mengen an Kleidung drastisch reduzieren und ihre Qualität und Lebensdauer deutlich erhöhen. Dafür braucht es achtsame Konsument:innen, zeitlose und recycelbare Kleiderkollektionen, ein funktionierendes Recyclingsystem für nicht mehr tragbare Kleidung und klare politische Rahmenbedingungen, die eine öko-faire textile Kreislaufwirtschaft fördern und die Ausbeutung von Menschen und Umwelt sanktionieren.

Verena Schmitt: Die Autorin arbeitet als Referentin für Ökolandbau & Ernährung am Umweltinstitut München e.V.

 

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