Bedroht CCS die Energiewende in Indonesien?
Südostasien und besonders Indonesien sind zu einem Dreh- und Angelpunkt der globalen CCS-Industrie geworden. Nicht nur weil Politiker:innen der Länder die Technologie fördern, um am fossilen Modell festzuhalten, sondern auch weil Länder aus dem Globalen Norden CCS in Klimakooperationen festgeschrieben haben. Damit fließen wichtige Gelder und Ressourcen in eine umstrittene Technologie, statt in eine Transformation vor Ort. Wie wirkt sich das auf die Gesellschaften aus?
Im Kampf gegen die Klimakrise hat sich die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS) als „Lösung“ herauskristallisiert. Befürworter:innen argumentieren, dass CCS dazu beitragen könne, die Kohlenstoffemissionen der von fossilen Brennstoffen abhängigen Industrien zu reduzieren. In Wirklichkeit stellt CCS aber nur eine gefährliche Ablenkung von echten Lösungen für die Energiewende dar.
In Südostasien, wo die dringende Notwendigkeit der Dekarbonisierung auf komplexe wirtschaftliche Realitäten trifft, gewinnt CCS an politischer und industrieller Unterstützung. CCS ist jedoch nur eine Scheinlösung – eine, die die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verlängert, den Unternehmensgewinnen Vorrang vor Belangen der Gemeinden einräumt und die Wende hin zu erneuerbaren Energien verzögert, die die Welt dringend braucht.
Südostasien als CCS-Drehkreuz
In Südostasien sind bereits mehrere CCS-Pilotprojekte im Gange. Indonesien, Malaysia, Singapur und Thailand sind Vorreiter bei der Erforschung oder Umsetzung dieser Projekte als Teil ihrer Dekarbonisierungsstrategien. Die Initiativen befinden sich zwar noch im Anfangsstadium, werden aber von den Regierungen gefördert.
Indonesien stellt sich selbst als regionales Zentrum für CCS auf. Zu den bekanntesten Projekten gehört das von British Petroleum (BP) geleitete Tangguh LNG CCS-Projekt in Westpapua, das darauf abzielt, Kohlenstoffemissionen aus der Erdgasaufbereitung abzuscheiden und unterirdisch in erschöpften Gasreservoirs zu speichern. Darüber hinaus erforscht Pertamina, die staatliche Ölgesellschaft Indonesiens, CCS als Methode zur Verbesserung der Ölgewinnung in ihren Ölfeldern, wodurch die Förderung fossiler Brennstoffe in dem Land weiter gestärkt wird.
In Malaysia entwickelt Petronas das Kasawari CCS-Projekt, eines der größten seiner Art in der Region, bei dem CO2 aus der Gasverarbeitung abgeschieden und vor der Küste gespeichert wird. Auch Singapur treibt sein Bestreben voran, durch Partnerschaften mit globalen Ölriesen wie Shell und ExxonMobil ein CCS-Drehkreuz zu werden. Unterdessen hat das thailändische Mineralölunternehmen PTT Machbarkeitsstudien für die Abscheidung von Emissionen aus der Industrie in die Wege geleitet, obwohl ein groß angelegter Einsatz noch in weiter Ferne liegt.
Die Regierungen in Südostasien sehen in CCS einen technologischen Rettungsanker, der es der fossilen Industrie ermöglicht, ihren Betrieb fortzusetzen und gleichzeitig die internationalen Klimaziele zu erreichen. In Ländern wie Indonesien und Malaysia wird CCS gefördert, da es als eine Möglichkeit zur Dekarbonisierung des Öl- und Gassektors gesehen wird. So kann dieser Industriebereich ohne große Veränderungen weiter funktionieren. Singapur betrachtet CCS als einen wichtigen Teil seiner Strategie, eine führende Rolle im Emissionshandel und in der Technologie einzunehmen.
Nicht der Illusion hingeben
Während Politiker:innen CCS als „Brücke“ zu einer saubereren Wirtschaft anpreisen, machen Umweltschützer:innen und Organisationen der Zivilgesellschaft deutlich, dass dies eine gefährliche Illusion ist. Indem sie sich auf CCS konzentrieren, riskieren die südostasiatischen Regierungen, den notwendigen Übergang zu erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Sonne und Geothermie zu verzögern.
Die Technologie ist in großem Maßstab unerprobt, kostspielig und geht am ursächlichen Problem – der anhaltenden Nutzung und Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen – vorbei. Indem CCS die Aufmerksamkeit und die Ressourcen von den erneuerbaren Energien ablenkt, ermöglicht es die weitere Förderung und Nutzung fossiler Brennstoffe und verschärft so die globale Klimakrise.
Der beunruhigendste Aspekt von CCS ist das Potenzial, Finanzmittel und Ressourcen von der Entwicklung erneuerbarer Energien abzulenken. Indem Regierungen und Unternehmen CCS als „Klimalösung“ propagieren, kündigen sie die bevorzugte Entwicklung von Solar- und Windenergie und anderen sauberen Energiequellen auf. Dies verzögert nicht nur die Energiewende, sondern schränkt auch die Möglichkeiten zur Energieunabhängigkeit in den Ländern des Südens ein.
CCS statt echter Energiewende?
Erneuerbare Energien bieten eine nachhaltigere, langfristige Lösung für die Region. Indonesien beispielsweise verfügt über ein riesiges ungenutztes Potenzial, doch die staatlichen Investitionen in diese Sektoren sind im Vergleich zur Infrastruktur für fossile Brennstoffe weiterhin minimal. Die anhaltende Konzentration auf CCS droht die Länder in der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu halten, anstatt eine echte Energiewende zu fördern.
Organisationen, die sich für eine gerechte Energiewende einsetzen, betonen, dass CCS die weitere Förderung von Erdgas und Kohle ermöglicht. In den Gebieten, in denen die fossilen Brennstoffe vorkommen, sind unverhältnismäßig viele marginalisierte Gemeinschaften betroffen. In Indonesien sind lokale Gemeinschaften und indigene Gruppen besorgt über die langfristigen ökologischen und sozialen Auswirkungen von CCS-Projekten, insbesondere bei der unterirdischen Speicherung von CO2 in erschöpften Lagerstätten.
Abgesehen von den Umweltbedenken steht CCS auch vor erheblichen regulatorischen und finanziellen Hürden. Die Umsetzung von CCS erfordert enorme Investitionen in die Infrastruktur sowie einen soliden Rechtsrahmen – beides fehlt in vielen südostasiatischen Ländern. Die Regierungen sind immer noch dabei, die notwendigen Strategien für die Verwaltung von CCS-Projekten zu entwickeln, insbesondere in Offshore-Speichergebieten, und die Finanzierung dieser Projekte bleibt eine offene Frage.
CCS als Geopolitik
Die Förderung von CCS in Südostasien ist nicht nur eine regionale Angelegenheit, sondern eng mit der globalen geopolitischen Dynamik verwoben. Wohlhabende Länder des Nordens, wie Japan und Australien, haben CCS als Schlüsseltechnologie in ihrer internationalen Klimakooperation mit Südostasien positioniert. Durch Initiativen wie Japans Asia Zero Emission Community (AZEC) setzen sie sich für CCS als Mittel zur Emissionsreduzierung ein, während sie weiterhin auf fossile Brennstoffe setzen und so ihr kohlenstoffintensives Energiemodell in den Globalen Süden exportieren.
Dies könnte eine neue Form des Klimakolonialismus bilden, bei dem die Länder des Südens bei der Entwicklung und Einführung der CCS-Technologie finanziell von den Ländern des Nordens abhängig werden. Kostenintensive, kapitalintensive Technologien wie CCS erfordern eine externe Finanzierung, die häufig von nördlichen Ländern, multinationalen Unternehmen oder internationalen Finanzinstitutionen stammt. Diese Dynamik kann die finanzielle Abhängigkeit der Länder des Südens von den wohlhabenderen Industrieländern verstärken und ein System der wirtschaftlichen Ungleichheit aufrechterhalten.
Dem Druck trotzen
Aufgrund des internationalen Drucks könnten sich die südostasiatischen Länder gezwungen sehen, trotz der wirtschaftlichen Risiken in CCS zu investieren. Dies könnte zu kostspieligen Projekten führen, die die versprochenen Emissionsreduzierungen nicht erreichen und gleichzeitig die öffentlichen Kassen belasten.
Damit Südostasien die Klimakrise wirklich bewältigen kann, muss die Region über technische Lösungen wie CCS hinausgehen und eine umfassende Energiewende einleiten, die auf sozialer und ökologischer Gerechtigkeit beruht. Anstatt in teure und unerprobte Technologien zu investieren, sollten sich die Regierungen auf den Ausbau der Kapazitäten für erneuerbare Energien, den Schutz der Rechte indigener Völker und die Förderung von Energieprojekten in Gemeindebesitz konzentrieren.
Der Kampf für Klimagerechtigkeit in Südostasien ist auch ein Kampf für wirtschaftliche Souveränität und den Schutz der lokalen Ökosysteme. Indigene Gemeinschaften, die oft als Erste unter der Umweltzerstörung leiden, müssen in die Lage versetzt werden, ihr Land ohne die Einmischung der extraktiven und fossilen Industrie oder fehlgeleiteter technischer Lösungen wie CCS zu verwalten.
Hikmat Soeriatanuwijaya ist Leiter für Partnerschaft und Öffentlichkeitsarbeit bei Oil Change International.
Übersetzt aus dem Englischen von Tom Kurz
Bild: Friends of the Earth International, C28_0578, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0, keine Änderungen vorgenommen.