Rückblick auf die COP 16 der Biodiversitätskonvention
Auf der 16. Vertragsstaatenkonferenz wurden einige wichtige Beschlüsse zur Bewahrung der Biodiversität gefällt, andere wichtige Beschlüsse kamen nicht zum Abschluss, weil die Konferenz unterbrochen werden musste. Große Erfolge sind die Einrichtung eines permanenten Nebenorgans für die Förderung indigenen und traditionellen Wissens und die Einrichtung des multilateralen Mechanismus für den Vorteilsausgleich durch die Nutzung von digitalen Sequenzinformationen. Mitgliedsländer, die das noch nicht getan haben, wurden aufgefordert, nun zügig ihre nationalen Biodiversitätsstrategien aktualisieren und die Ziele der CBD (Convention on Biological Diversity) auch national umzusetzen – dazu zählt auch Deutschland. Beschlüsse zur Finanzierung und zu Monitoring und Review stehen hingegen noch aus.
Die 16. Vertragsstaatenkonferenz der CBD COP 16 fand vom 21.10. bis 1.11. in Cali, Kolumbien statt. Nachdem in den Jahren 2018 bis 2022 vier Jahre lang unter außergewöhnlichen Bedingungen in einem umfassenden Prozess physisch und virtuell um ein neues globales Rahmenabkommen (Kunming-Montréal Global Biodiversity Framework, KMGBF) zur Bewahrung der Biodiversität gerungen worden war, stand die Konferenz in Cali im Zeichen von dessen Umsetzung.
Eine „normale“ COP war die CBD COP 16 dennoch nicht – die „People’s COP“ war mit 700.000 Besucher:innen und 23.000 registrierten Teilnehmer:innen die größte Konferenz in der Geschichte der Biodiversitätskonvention.
Sie war dennoch eine Arbeits-COP: mit etwa 30 Agenda-Punkten gab es eine Menge zu verhandeln. Unter anderem galt es, viele im Grundsatz bereits auf der CBD COP 15 getroffene Beschlüsse zu ergänzen und zu präzisieren.
In fast allen Bereichen gelang es den Teilnehmer:innen unter der engagierten Leitung der kolumbianischen Umweltministerin Susana Muhamad, zu einer Einigung zu kommen und Beschlussdokumente vorzulegen, die nur noch vom Abschlussplenum abgesegnet werden mussten. Doch das gelang nur für einen Teil der Dokumente. Für das Thema Finanzen hatte die Präsidentschaft in letzter Minute einen Beschluss zur Strategie zur Mobilisierung von Finanzmitteln und der Schaffung eines speziellen globalen Fonds unter der Autorität der COP vorgelegt. Letzterer wurde von der EU, der Schweiz, Kanada, Neuseeland, Australien, Norwegen und Japan abgelehnt. Danach beantragte Panama, zu prüfen, ob die Beschlussfähigkeit gegeben ist. Zu diesem Zeitpunkt – am Ende einer durch verhandelten Nacht – mussten bereits zahlreiche Delegierte abreisen. Daher wurde das Quorum nicht erreicht, die COP war nicht mehr beschussfähig und musste suspendiert werden.
Somit gliedern sich die Beschlüsse der COP in solche, die final verabschiedet werden konnten und solche, die noch abgesegnet werden müssen.
Verabschiedete Beschlüsse
Es gelang, den größeren Teil der Beschlüsse zu verabschieden. Dazu gehören unter anderem:
- die Einrichtung eines Nebenorgans (Subsidiary Body, SB) zu Artikel 8(j) der CBD zu Fragen im Zusammenhang mit Indigenen und lokalen Gemeinschaften (IPLCs). Dieser Beschluss erhebt die Arbeitsgruppe zu einem dauerhaften Nebenorgan, auf eine Stufe mit den beiden Nebenorganen zu wissenschaftlichem und technischem Rat (Subsidiary Body on Scientific, Technical and Technological Advice, SBSTTA) und zur Umsetzung (Subsidiary Body on Implementation, SBI) und stärkt somit die Rolle der Indigenen und lokalen Gemeinschaften. Die Beschlussfassung stellte einen Moment der Einigkeit in der Konferenz dar und wurde von den zahlreichen Vertreter:innen der Indigenen auf der Konferenz ausgelassen bejubelt.
- die Operationalisierung des multilateralen Mechanismus für den Vorteilsausgleich durch die Nutzung von digitalen Sequenzinformationen (DSI) und die Einrichtung eines sog. Cali-Fonds. Dieser Beschluss ist ein Fortschritt. Große Unternehmen und andere wichtige Einrichtungen, die kommerziell von DSI profitieren, sollen nun freiwillig einen Prozentsatz ihrer Gewinne oder Einnahmen in den „Cali-Fonds“ einzahlen, um die Vorteile aus der Nutzung von DSI fairer und gerechter mit Entwicklungsländern und IPLCs zu teilen. Hiermit ist man der Realisierung einer Teilhabe der Hüter der Biodiversität an der Nutzung „ihrer“ genetischen Ressourcen einen großen Schritt nähergekommen.
- Die Überprüfung der Umsetzung: Fortschritte bei der Festlegung nationaler Ziele und der Aktualisierung der nationalen Strategien und Aktionspläne zur biologischen Vielfalt. Auf der COP 15 war festgelegt worden, dass die CBD-Staaten bis zur COP 16 ihr Nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne (NBSAPs) so überarbeiten, dass sie die Ziele des KMGBF wiedergeben, oder sich zumindest entsprechende nationale Ziele setzen. Der Beschluss würdigt jene Länder, die dies geschafft haben, und fordert die anderen auf, diese so schnell wie möglich nachzuholen. Derzeit haben nur 44 Länder aktualisierte NBSAPs und 119 Länder aktualisierte Ziele, und viele bleiben hinter dem Ambitionsniveau der globalen Ziele zurück.
Zu ersterem wurde auch die neue deutsche Biodiversitätsstrategie gezählt, obwohl diese weiterhin nur ein Entwurf ist. - bessere Synergien bei Klimawandel und Naturschutz. Nachdem es bei der CBD COP 15 in Montreal keine Einigung gab, konnten in Cali zum Verhandlungsthema Biodiversität und Klima gute Beschlüsse gefasst werden. Viele Vertragsstaaten – darunter Deutschland – haben sich aktiv für eine bessere Integration von Biodiversitäts- und Klimaschutz auf Politik-, Planungs- und Umsetzungsebene eingesetzt. So wird es zum Beispiel eine weitere Zusammenarbeit zwischen dem Biodiversitätsrat IPBES und Weltklimarat IPCC geben. Synergien zwischen der Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionsplänen (NBSAPs) und nationalen Klimabeiträgen (NDCs) sollen zudem künftig besser genutzt werden.
- Fortschritte beim Meeresschutz. Nach acht Jahren Verhandlungen ist ein Durchbruch bei der wissenschaftlichen Beschreibung biologisch oder ökologisch bedeutender Meeresgebiete (EBSA) gelungen. So wird es künftig ein besseres und effizienteres Verfahren geben, um biologisch wertvolle Meeresgebiete zu identifizieren, die unter Schutz gestellt werden sollten. Dies kann auch für eine zukünftige Ausweisung von Meeresschutzgebieten unter dem neuen UN-Hochseeschutzabkommen BBNJ genutzt werden.
Angenommen wurde auch der Beschluss, die nächste Vertragsstaatenkonferenz im Jahr 2026 in Jerewan (Armenien) abzuhalten.
Nicht verabschiedete Beschlüsse
Folgende wichtige Dokumente konnten wegen der Suspendierung nicht verabschiedet werden, obwohl diese inhaltlich mehr oder weniger bereinigt waren:
- das Dokument zur Operationalisierung des Monitoring Frameworks. Dieses ergänzt die bereits in Montreal 2022 beschlossenen Indikatoren und enthält u.a. Methodologien für Leitindikatoren und sog. binäre Indikatoren, sowie einen neuen Leitindikator zu Landnutzungsänderungen und Landbesitz in den Gebieten von IPLCs. Wichtig wäre nun, die Indikatoren zu nutzen und mit ihrer Hilfe eine weltweite einheitliche Bestandsaufnahme zu machen, wie weit man von der Erreichung der 23 Ziele des KMGBF entfernt ist sowie verbleibende Lücken zu füllen.
- der Textvorschlag der COP-Präsidentschaft zum Global Review of Collective Progress bei der Umsetzung des GBFs. Dieser definiert die Modalitäten und den Prozess für den Global Review 2026 und 2030. Der Review wird u.a. auf einem globalen Bericht basieren. Es gab u.a. Konsens für ein Kapitel im globalen Bericht zur Umsetzung durch die anderen Konventionen.
- Finanzen und Ressourcenmobilisierung. Dieses kritische Thema wurde am Schluss diskutiert. Die Industrieländer hatten 2022 zugesagt, bis 2025 dem globalen Süden jährlich mindestens 20 Mrd. US Dollar für die Bewahrung der Biodiversität und die Umsetzung des KMGBF zur Verfügung zu stellen. Eine zentrale Frage dabei ist neben dem Umfang dieser Mittel die Frage der Governance – wer wird bestimmen, wer das Geld empfängt und was damit geschieht? Damit die Entwicklungsländer mitsprechen können, forderten sie, ein spezielles globales Finanzierungsinstrument für die biologische Vielfalt zu schaffen, an dessen Verwaltung sie beteiligt sind. Doch die EU und die Industrieländer lehnten dies ab, wobei z.B. Deutschland später meinte, dass es ihnen weniger um die Mitbestimmung des globalen Südens als darum ginge, die Einrichtung eines weiteren Fonds zu vermeiden, der weitere Verwaltungskosten und Bürokratie mit sich brächte.
Wie weiter?
Die noch ausstehenden Beschlüsse sollten bei nächster Gelegenheit im Nachgang gefällt werden. Am dringendsten ist der Beschluss für das Budget, da das Sekretariat sonst nicht arbeiten kann. Er kann wohl via Online-Konferenz beschlossen werden.
Die anderen Beschlüsse eilen ebenfalls. Bereits auf der COP 17 soll eine Halbzeitbilanz für die Erreichung des KMGBF gezogen werden. Für den globalen Zwischenbericht müssen rechtzeitig die 7. Nationalberichte vorliegen, die ihrerseits nächstes Jahr auf Basis der noch zu beschließenden Indikatoren und gemäß dem noch zu verabschiedenden Review-Dokument mit seinen Formularvorlagen zu erstellen sind. Und ohne Klarheit über die Finanzierung sind viele Länder nicht in der Lage, ihren Verpflichtungen unter dem KMGBF nachzukommen. Daher ist die Verabschiedung dieser Dokumente von höchster Dringlichkeit.
Diese Beschlüsse werden vermutlich in einer fortgesetzten COP 16 im Jahr 2025 gefällt.
Konsequenzen für Deutschland
Deutschland – wie alle Industrieländer – muss die in Montréal beschlossenen Ziele und die in Cali getroffenen Entscheidungen mit voller Kraft umsetzen; auch wenn manches eben noch nicht final abgesegnet ist, ist bei vielem klar, was zu tun ist. Die nationale Biodiversitätsstrategie leistet dazu einen wichtigen Beitrag und sollte von allen Ressorts gutgeheißen, noch vor den Neuwahlen verabschiedet und nach Kräften unterstützt werden.
Friedrich Wulf. Der Autor ist seit 2008 bei Pro Natura zuständig für internationale Biodiversitätspolitik und koordiniert die AG Biodiversität des Forums Umwelt und Entwicklung.
Bild: Photo by IISD/ENB | Mike Muzurakis