CCS als Marketing-Coup der fossilen Industrie
Liebe Leserinnen und Leser,
Das vorzeitige Aus der Ampel stand seit Monaten im Raum, jetzt ist es Realität. Zwischen letzten politischen Prestigeprojekten und beginnendem Wahlkampf ist nun unklar, welche Gesetze in dieser Legislaturperiode oder gar noch in diesem Jahr verabschiedet werden und wer über den Weg dahin eigentlich entscheidet.
Bei manchen Gesetzen hatte die Ampel in den letzten Jahren ein solches Eiltempo vorgelegt, dass die erzwungene Unklarheit des Gesetzgebungsprozesses politische Strategien, Bundestagsdebatten, aber auch öffentliche Beteiligung durcheinanderwirbelt, mit offenem Ergebnis.
Ein solcher Prozess umfasst die geplante Ermöglichung von Carbon Capture and Storage (CCS) – der Abscheidung von Kohlendioxid und Deponierung unter dem Meeresboden. Die Carbon-Management-Strategie und die Änderung des Kohlenstoffspeichergesetzes wurden zuletzt in einem atemraubenden Tempo vorangebracht. Bei den Grünen bedeutete das die Abkehr von Haltungen, die noch vor wenigen Jahren als unumstößlich galten. Weil die bisherigen Maßnahmen nicht gegriffen hätten, um die Treibhausgasemissionen signifikant zu senken, bräuchte man CCS, so die Behauptung der Bundesregierung. Insbesondere wegen der (noch immer nicht genau definierten) unvermeidbaren Restemissionen der Industrie gebe es keinen anderen Weg. „Besser im Boden als in der Luft“, hörte man Habeck sagen, als ob es nur diese beiden Optionen gäbe bzw. die fossilen Brennstoffe nicht am allerbesten von vornherein im Boden bleiben sollten.
Die Risiken, die mit der Technologie in Verbindung stehen, werden als unwichtig abgetan. Perspektiven aus dem Globalen Süden oder Fragen über die langfristigen Auswirkungen dieses neuen Verwertungs- statt Vermeidungs-Umgangs mit den Emissionen des Globalen Nordens finden kaum Beachtung.
Mit diesem Rundbrief wollen wir die aktuelle politische Debatte um einige Einschätzungen und Argumente erweitern.
Ob CCS noch unter der Ampel ermöglicht wird, lässt sich zum Veröffentlichungszeitpunkt noch nicht sagen. Scheitern würde es aber sicherlich nicht am politischen Umdenken, sondern am Chaos des Regierungs-Aus. Und da fast alle Parteien hinter den falschen Argumenten von CCS stehen und die fossile Lobby aktiv um für ihre CCS-Projekte wirbt, gäbe es so oder so nur einen Aufschub. Gut, dass sich so viel Widerstand gegen CCS regt, so zuletzt in einem offenen Brief mit über 70 unterzeichnenden Organisationen, Expert:innen und Bürgerinitiativen.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Spaß mit der Lektüre.
Marie-Luise Abshagen und Tom Kurz
Ausgewählte Artikel werden auf diesm Blog erscheinen.
Bild: Helene Hoddevik Mørk / Statsministerens kontor, Statsministeren besøker Sleipner, fickr, CC BY-NC 2.0, gespiegelt