Nach dem Gipfel ist vor der Konferenz

Rundbrief 2024/3

Der UN-Zukunftsgipfel, Multilateralismus in schwierigen Zeiten und das liebe Geld

Am 22. und 23. September 2024 trafen sich Staats- und Regierungschefs in New York zum UN-Zukunftsgipfel (Summit of the Future) und verabschiedeten den Pact for the Future. Dieser Pakt soll die Vereinten Nationen auf künftige Herausforderungen vorbereiten und neue Themen auf die Agenda setzen. Die Ergebnisse zur globalen Finanzpolitik sind auch für nachfolgende Großereignisse wie die UN-Konferenzen zum Klimawandel und zur biologischen Vielfalt oder die 4. Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung relevant. Trotz kleiner Fortschritte verdeutlicht der Gipfel, wie schwer es der Weltgemeinschaft derzeit fällt, Konsenslösungen zu erreichen.[1]

Die globalen Spannungen beeinträchtigen zunehmend die Fähigkeit der Vereinten Nationen zur Lösungsfindung. Das wurde auch bei der Verabschiedung des Zukunftspakts deutlich. Noch kurz vor Beginn des Gipfels wurden Änderungen verhandelt, u.a. auf Drängen einer Gruppe von 16 Ländern um Russland, China, Ägypten und Iran.

Auf den letzten Drücker

Diese Dynamik kulminierte am Eröffnungstag in einem letzten Änderungsantrag der Russischen Föderation – ein eher unüblicher Schritt in dieser Art von Verhandlungen. Der russische Vertreter kritisierte, dass es keine zwischenstaatlichen Verhandlungen über den Pakt gegeben habe und die Vorbereitungen von den Koordinatoren, Namibia und Deutschland, autokratisch durchgeführt worden seien. Ein Antrag der Republik Kongo, sich mit dem Änderungsantrag nicht zu befassen, wurde mit 143 zu 7 Stimmen bei 15 Enthaltungen angenommen. Die abschließende Verabschiedung erfolgte dann recht zügig durch eine Feststellung des Präsidenten der UN-Generalversammlung. Obwohl damit formal nicht über den Pakt abgestimmt wurde, zeigte das Abstimmungsergebnis die mangelnde Einigkeit, die die spätere Umsetzung beeinflussen könnte.[2]

Die Ergebnisse

Der Pact for the Future umfasst insgesamt 56 „Actions“ in fünf Kapiteln: (1) Nachhaltige Entwicklung und Entwicklungsfinanzierung, (2) Internationaler Frieden und Sicherheit, (3) Wissenschaft, Technologie, Innovation und digitale Zusammenarbeit, (4) Jugend und zukünftige Generationen sowie eine (5) Transformation der Global Governance. Ergänzt wird dies durch zwei Anhänge, den Globalen Digitalpakt und eine Erklärung zu zukünftigen Generationen. Der Pakt behandelt damit zahlreiche internationale Themen und setzt einige davon zum ersten Mal offiziell auf die Agenda der Vereinten Nationen. Greifbare Beschlüsse bleiben jedoch meist aus, oft werden lediglich bestehende Vereinbarungen bestätigt, laufende oder zukünftige Verhandlungen angesprochen oder Arbeitsaufträge an den UN-Generalsekretär formuliert. Die Ergebnisse sind daher weniger als neue Beschlüsse, sondern eher als eine Bekräftigung des Status quo zu bewerten. Angesichts der politischen Konstellation kann dies dennoch als Erfolg betrachtet werden.[3]

Neben Finanzfragen (s. u.) erfuhren die Themen Digitalisierung, zukünftige Generationen sowie Frieden und Sicherheit besondere Aufmerksamkeit. Wer jedoch mit wegweisenden Beschlüssen rechnete, wurde enttäuscht. Im Globalen Digitalpakt sind zwar einige institutionelle Neuerungen enthalten, etwa eine Multi-Stakeholder-Arbeitsgruppe zur Datengovernance oder ein Sachverständigenrat für künstliche Intelligenz nach dem Vorbild des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen, doch essenzielle Fragen bleiben unbehandelt, wie z. B. die Einschränkung der (Monopol-)Macht von Tech-Konzernen. Immerhin wurde ein Bekenntnis zu Menschenrechten im digitalen Raum aufgenommen. Auch die Erklärung zu zukünftigen Generationen fordert, deren Rechte stärker zu berücksichtigen. Konkrete Maßnahmen bleiben jedoch aus – abgesehen von der Schaffung eines Postens für einen Sondergesandten und einer Sondersitzung der Generalversammlung. Die drängenden Probleme in der Sicherheitspolitik konnten ebenfalls nicht gelöst werden. Die oft geforderte Reform des Sicherheitsrats, die im Verlauf der Verhandlungen noch sporadisch angesprochen wurde, ist weiter verschoben.

Beschlüsse zur internationalen Finanzpolitik und -architektur

2024 und 2025 stehen zahlreiche Konferenzen an, die sich mit der Umsetzung bestehender Abkommen befassen. Die Vertragsstaatenkonferenz zur Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt strebt die Umsetzung der Montreal/Kunming-Beschlüsse an. Die Klimakonferenz von Baku soll neue Ziele für das Pariser Abkommen festlegen. Im Juni 2025 wird eine 4. Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung die globalen Finanzstrukturen überarbeiten, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 möglicherweise noch zu erreichen. Deshalb standen die Verhandlungen zu Finanzthemen besonders im Fokus. Die getroffenen Vereinbarungen lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob große Fortschritte zu erwarten sind.

Die Initiative des UN-Generalsekretärs, alle zwei Jahre zu einem Gipfel über die Zusammenarbeit zwischen den internationalen Finanzinstitutionen und der UN einzuladen, wurde „mit Anerkennung zur Kenntnis genommen“. Dieser Gipfel soll die Einbindung von UN-Mitgliedern fördern, die andernorts, etwa bei der G20 oder im IWF, ausgeschlossen oder marginalisiert sind. Wann ein solcher Gipfel zum ersten Mal stattfinden wird, bleibt jedoch offen.

Im Bereich der internationalen Steuerkooperation haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Verhandlungen über eine Rahmenkonvention zu Steuerfragen, die im Sommer 2024 eingeleitet wurden, „konstruktiv zu begleiten“. Der Pakt enthält zudem die Formulierung, dass „Möglichkeiten zur internationalen Zusammenarbeit bei der Besteuerung von Personen mit hohem Nettovermögen geprüft werden sollen“. Diese Formulierung hat den Verhandlungsprozess überstanden, konkrete Beschlüsse fehlen aber.

Die UN-Mitglieder bekräftigten außerdem ihre finanziellen Verpflichtungen: Die Industrieländer sollen 0,7 % ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen und die effiziente Nutzung dieser Mittel fördern. Für die Klimafinanzierung wird auf die möglichen Ergebnisse der Klimakonferenz von Baku verwiesen, bei der ein neues Ziel für Klimafinanzierung festgelegt werden soll, das über die Verpflichtung der Industrieländer hinausgeht, jährlich 100 Mrd. Dollar bereitzustellen. Zusätzlich betonten die Mitgliedstaaten die Bedeutung erhöhter Mittel für die Anpassung an den Klimawandel, darunter „neue und zusätzliche Zuschüsse sowie hochkonzessionäre Finanzierungs- und schuldenfreie Instrumente für Entwicklungsländer“.

Zur Reform der internationalen Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank enthält der Pakt einige Vorschläge, die jedoch an die jeweiligen Institutionen zurückverwiesen werden. Das Dilemma bleibt bestehen, dass Länder, die dort über höheres Stimmgewicht verfügen, ihre eigene Macht einschränken müssten. Zwar gab es kleine Fortschritte, etwa die Schaffung eines zusätzlichen Sitzes für die Länder Subsahara-Afrikas im IWF-Gouverneursrat. Doch ob diese Schritte das grundsätzliche Machtungleichgewicht beheben, ist fraglich. Ein Teilerfolg besteht darin, dass Länder, die unnötigerweise von der Zuteilung von Sonderziehungsrechten während der COVID-19-Pandemie profitiert haben, mindestens die Hälfte davon an ärmere Staaten weiterleiten sollen. Dazu sollen neue Finanzierungsinstrumente entwickelt werden.

Enttäuschend bleiben die Ergebnisse in Bezug auf die globale Schuldenkrise. Statt Schritte zu einer internationalen Regelung für Staatsinsolvenzen einzuleiten, wird eine Überprüfung der globalen Schuldenarchitektur unter Leitung des IWF angekündigt, an der auch die G20 beteiligt sein wird. Dies unterminiert die Interessen jener Länder, die sich von der G20 und den Bretton-Woods-Institutionen unzureichend repräsentiert sehen. Umschuldungen werden erwähnt, doch die Forderung nach nationalen Regelungen zur Erleichterung solcher Prozesse wurde fallen gelassen. Gläubiger werden aufgefordert, ihre Schuldtitel mit Statusklauseln, z. B. Klimaklauseln, auszustatten, „wo dies angebracht ist“. Solche Klauseln könnten Schuldenzahlungen aussetzen, wenn ein Land von Naturkatastrophen betroffen ist.

Ausblick

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich die Staaten im Pact for the Future nicht unbedingt anspruchsvolle Ziele für die anstehenden Konferenzen gesetzt haben. Die Frage, ob bei der 4. Konferenz über Entwicklungsfinanzierung, die sich mit sehr ähnlichen Themen befasst, in weniger als neun Monaten grundlegend andere Ergebnisse erzielt werden, erscheint berechtigt. Es bleibt zu hoffen, dass die Expert:innen zu stärkeren Kompromissen bereit sind. Vielleicht hilft es, weniger Verhandlungsoptionen zu haben, um Deals zwischen Sicherheits- und Finanzfragen zu vermeiden. Der immer wieder bestätigte Status quo ist zur Lösung der sich zunehmend verschärfenden globalen Probleme jedenfalls unzureichend.

Wolfgang Obenland

Der Autor leitet den Arbeitsbereich Internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik im Forum Umwelt & Entwicklung.

 

Quellen:

[1] Weitere Informationen zum Gipfel inkl. der verabschiedeten Texte finden sich unter https://www.un.org/en/summit-of-the-future.

[2] Vgl. zum Ablauf und den Positionen verschiedener Regierungen die Zusammenstellung von Global Policy Watch unter https://www.globalpolicywatch.org/blog/2024/10/03/global-policy-un-watch-2024-no-8/.

[3] Auch nur eine Auflistung der einzelnen Themen würde den Umfang dieses Artikels sprengen. Eine Auswahl der wichtigsten Beschlüsse bietet https://www.globalpolicy.org/de/publication/der-zukunftspakt-der-vereinten-nationen-bilanz-und-perspektiven.

 

Bild: Photo by IISD/ENB – Diego Noguera

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