Beispielhafte Verhandlungsführung in Rom
Ende Oktober kam die 52. Hauptversammlung des UN-Welternährungsausschuss (CFS, Committee on World Food Security), dem inklusivsten Gremium der Vereinten Nationen, in Rom zu einem erfolgreichen Abschuss. Angesichts der sich weiter polarisierenden Weltlage und der notwendigen Sondersitzungen zur Beendigung der Versammlungen der letzten Jahre ein nicht zu unterschätzender diplomatischer Erfolg der Vorsitzenden Nosipho Jezile. Ein Erfolg, der gerade zum zwanzigjährigen Jubiläum der Freiwilligen Leitlinien zum Recht auf angemessene Nahrung wichtige Impulse in die Weltgemeinschaft gibt.
Im Vorfeld der 52. Hauptversammlung des CFS hatte es Sorge gegeben, ob es angesichts der sich weiter polarisierenden Weltlage gelingen würde, im angesetzten Zeitrahmen zu einem Abschlussdokument zu kommen. Entsprechend nervös waren die staatlichen und zivilgesellschaftlichen Vertreter:innen aus Deutschland nach Rom gereist. Mit der Teilnahme der parlamentarischen Staatssekretärin Ophelia Nick unterstrichen die Bundesregierung und das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) die Relevanz des CFS und des Rechts auf angemessene Nahrung. Gerade in Zeiten geopolitischer Konfrontation sind diese Zeichen der Bundesregierung, die den eigenen über zwanzigjährigen Einsatz zum Thema betonen, von großem Wert. Positiv war auch der kohärente Auftritt von BMEL und Bundesentwicklungsministerium (BMZ) auf dem CFS.
Ein wichtiges Ergebnis des CFS 52 ist, dass Beschlüsse verabschiedet wurden, die sowohl dazu aufrufen, Nahrung und Wasser im Krieg in Gaza und anderen Kriegen nicht als Waffe zu nutzen, als auch endlich andere Konflikte und Kriege zu benennen, die weltweit zu einem starken Anstieg des akuten Hungers geführt haben. So wurden auch die Folgen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Haiti, Libanon, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen benannt. Für die Ukraine konnte erstmals eine Formulierung gefunden werden, die von Russland akzeptiert wurde, in der Krieg und Ukraine in einem Satz genannt werden. All dies mag nebensächlich klingen, stellt auf der diplomatischen Ebene aber große Fortschritte dar. Fortschritte, die nur möglich waren, weil die Vorsitzende Nosipho Jezile die Staaten nie aus ihrer Verantwortung entließ, zu verhandeln und zu Kompromissen zu kommen.
Für die Relevanz des CFS war es wichtig, aus der geopolitisch geprägten Heraushebung einzelner Kriege im Kontext des Welthungers, wie in den Kriegen in der Ukraine und in Gaza, herauszukommen und auch andere Kriege zu benennen, ohne die gesonderte Signifikanz beider Kriege abzuschwächen.
Positive Impulse aus dem globalen Süden
Darüber hinaus gab es verschiedene Initiativen aus dem globalen Süden, die dem CFS 52 anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums der freiwilligen Leitlinien zum Recht auf angemessene Nahrung positive Impulse verliehen. So wurde vom CFS der Vorschlag Kolumbiens begrüßt, eine internationale Konferenz zu Agrarreform und ländlicher Entwicklung (ICARRD+20) auszurichten. Die Welternährungsorganisation (FAO) und der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) wurden aufgefordert, bei der Vorbereitung der Konferenz zu unterstützen. Mit der Konferenz sollen der Umsetzung der CFS-freiwilligen Leitlinien für eine verantwortungsvolle Verwaltung von Land-, Fischerei- und Waldbesitz (VGGT) weitere Impulse gegeben werden. Dies greift auch vielfältige Forderungen der Kleinbäuer:innen, Fischer:innen, Hirt:innen, Indigenen und weiterer Gruppen auf, die im Civil Society and Indigenous Peoples Mechanism (Zivilgesellschafts- und Indigenenmechanismus, CSIPM) als Rechteinhabende organisiert sind.
Die Vorstellung der Globalen Allianz gegen Hunger und Armut durch die brasilianische Regierung stellte einen weiteren positiven Impuls dar. Die Allianz sieht sich dem CFS verpflichtet. Dies gerade in dem Verständnis des Rechts auf Nahrung, dass die Antworten zur Überwindung des Hungers von den betroffenen Staaten und Menschen selbst formuliert und umgesetzt werden müssen. In diesem Sinne stellt Brasilien seine eigenen inklusiven, auf dem Recht auf Nahrung basierenden Politiken, als Beispiel zum Nachahmen in der Allianz dar. Schon einmal konnte – vor der rechtsradikalen Regierung Bolsonaros – der Hunger damit in Brasilien überwunden werden.
Ungleichheit im Welternährungssystem
Die Annahme der Politikempfehlungen des CFS zu Reducing Inequalities for Food Security and Nutrition (Abbau von Ungleichheiten für Ernährungssicherheit und Ernährung) durch die Mitgliedsstaaten war ein weiterer Impuls. Für die im CSIPM organisierten Rechteinhabenden stellen diese Empfehlungen einen wichtigen Anfang in der menschenrechtsbasierten Debatte dar, wie Ungleichheiten in den Agrar- und Ernährungssystemen überwunden werden können. Eine Debatte, die sicher große Bedeutung für die nächsten 20 Jahre Umsetzung der freiwilligen Leitlinien zum Recht auf Nahrung haben wird. Dies wurde auch im Event zur Feier der Leitlinien deutlich. Für viele stellte sich hier die Frage, wie es sein kann, dass nach 20 Jahren die Umsetzung des Rechts auf Nahrung noch immer nicht im Kernbudget der FAO verankert ist?
Besorgniserregende Trends in der FAO
Doch gerade aus der FAO kommen weiter besorgniserregende Trends. So inszenierte der Generaldirektor der FAO, Qu Dongyu, erneut das World Food Forum (WFF), das keine multilateralen Beschlüsse verhandelt, über eine ganze Woche um den Welternährungstag. Bis es vom WFF verdrängt wurde, hatte das CFS um den jährlichen Welternährungstag stattgefunden und den Rechteinhabenden an „ihrem Tag“ eine politische Stimme gegeben. Laut FAO bietet das WFF für Jugend, Indigene und Kleinbäuer*innen eine besondere Bühne. Doch diese besondere Bühne hat vor allem Eventcharakter. Statt an politischen Verhandlungen teilzunehmen, wird gemeinsam gesungen und getanzt. Dass dem CSIPM verweigert wurde, wie in der Vergangenheit sein Annual Forum im Vorfeld des CFS im Gebäude der FAO auszurichten, zeigt, wie sehr sich der Generaldirektor und die FAO an der aktiven Beteiligung der Rechteinhabenden an politischen Entscheidungen stören.
Diesen Trends in der FAO gilt es entgegenzutreten, indem die Staaten das Recht auf Nahrung endlich im Kernbudget in der FAO verankern und das CFS wieder in die Woche des Welternährungstags legen sowie dem CSIPM Zugang zur FAO gewährleisten.
Stig Tanzmann und Jan Dreier arbeiten zu den Themen Landwirtschaft und Ernährung bei Brot für die Welt und FIAN Deutschland. Der Artikel wurde ursprünglich für die Rural21 geschrieben.
Bild: © FAO / Andrea Spinelli Barrile