Offshore-Kohlenstoffabscheidung und -speicherung
Unternehmen wollen ihre Emissionen ins Meer leiten, aber diese kostspieligen Bemühungen verzögern nur echte Maßnahmen gegen den Klimawandel. Obwohl die Injektionssysteme auf dem Meeresboden von Unternehmen und Regierungsvertreter:innen immer wieder als sicher angepriesen wurden, bergen neuartige Offshore-CCS-Projekte unkalkulierbare Risiken, erfordern enorme Anstrengungen und Kosten und haben kaum das Potenzial, die globalen CO₂-Emissionen groß zu beeinflussen.
Im Mai legte die deutsche Regierung einen Entwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes vor. Mit diesem sollen die Beschränkungen für die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) aufgehoben werden, um Risiken und Missbrauch der Technologie zu verhindern. Während die Beschränkungen für die Verpressung von Kohlendioxid an Land bestehen bleiben, plant die Regierung, der Industrie die Verpressung ihrer Emissionen unter dem Meeresboden zu erlauben. Das Gesetz muss noch von Bundestag und Bundesrat gebilligt werden (Stand September 2024). Wenn diese Änderungen in Kraft treten, würde sich Deutschland einer Reihe anderer Länder anschließen, die ihre Meere als Lager für die den Planeten erwärmenden Emissionen nutzen wollen.
Die Erfahrungen mit Offshore-CCS sind begrenzt
Sowohl on- als auch offshore hat CCS eine jahrzehntelange Geschichte des Scheiterns. Nahezu jedes Vorzeigeprojekt ist aufgrund von Kostenüberschreitungen oder Problemen mit der Technologie selbst gescheitert.[1] Laut einer Analyse des Global CCS Institute, einer Lobbygruppe, die sich für CCS einsetzt, wurden seit 1972 weltweit nur 52 Millionen Tonnen CO₂ gespeichert[2] – das entspricht gerade einmal der Menge an CO2, die aktuell binnen 12 Stunden global emittiert wird.
Angesichts der Schwierigkeit, generell CCS-Projekte auf den Weg zu bringen, gibt es noch weniger Erfahrung mit der Offshore-Kohlenstoffspeicherung. Die Geschichte von CCS auf See ist im Wesentlichen auf zwei norwegische Gasprojekte beschränkt. Beide Projekte sind zwar heute noch in Betrieb, aber ihr Betrieb zeigt die Unwägbarkeiten, mit denen alle Offshore-CCS-Projekte konfrontiert sind.[3] Bei einem Projekt zum Beispiel bewegte sich die verpresste CO₂-Wolke in eine zuvor nicht kartierte Schicht des Meeresbodens. Dies erforderte häufige, ungeplante Überwachungen, um sicherzustellen, dass das CO2 unter der Oberfläche eingeschlossen blieb. Noch heute kämpfen Wissenschaftler:innen damit, das Verhalten von Kohlendioxid im Untergrund zu modellieren und vorherzusagen. Bei dem anderen Projekt stieg der Druck im Untergrund viel schneller an, als in den ursprünglichen Studien vorhergesagt worden war, sodass die Projektbetreiber eine neue Injektionsstelle finden mussten, was etwa 225 Millionen Dollar kostete. Die norwegischen Projekte sind klein und verpressen zusammen etwa 1,7 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr, während viele der heute vorgeschlagenen Projekte – auch in Deutschland – viel größer sind, was die Risiken noch erhöht.
Sowohl das Druckmanagement als auch die unvorhersehbaren geologischen Gegebenheiten stellen eine Herausforderung für jedes CCS-Projekt dar, egal ob auf See oder im Meer. Aber auf See, wo Schiffe und spezielle Unterwasserausrüstung benötigt werden, sind diese Probleme noch größer. Eine Ausweitung der Offshore-CCS-Anlagen erhöht auch die Risiken, etwa Leckagen. CO₂-Lecks lösen zwar keine Explosionen aus, aber sie können dazu führen, dass Menschen oder Tiere in der Nähe ersticken und sterben. Bei einem CO₂-Pipelinebruch in Mississippi im Jahr 2020 wurden mindestens 45 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert.[4] CO₂-Lecks unter Wasser können zu einer lokalen Versauerung der Ozeane führen und am Meeresgrund lebende Organismen schädigen. Und möglicherweise können Lecks an Offshore-Speicherstätten erhebliche Mengen CO₂ in den Ozean und schließlich in die Atmosphäre zurückbringen. Einer Schätzung zufolge könnte selbst eine Leckagerate von 0,1 Prozent im 21. Jahrhundert zu zusätzlichen CO₂-Emissionen von bis zu 25 Gigatonnen führen[5], wenn CCS in großem Umfang eingesetzt wird.
Neue Projekte, neue Risiken
Während die wenigen CCS-Projekte auf der Welt bereits ihre Unberechenbarkeit unter Beweis stellen, werden viele der heutigen Projekte eine noch komplexere Technik erfordern. Viele Projektvorschläge sehen vor, das aus verschiedenen industriellen Quellen gesammelte CO₂ zu bündeln und in einem gemeinsamen Offshore-Hub zu speichern. Diese Methode könnte aufgrund der uneinheitlichen Reinheit des CO₂ zu Problemen führen. Die meisten CCS-Projekte, die es heute gibt, fangen Kohlenstoff aus Gasbetrieben oder der Ethanolproduktion ab, die als Abfall hauptsächlich reines CO₂ enthalten. In einigen Industriezweigen, die die Kohlenstoffabscheidung in Erwägung ziehen, fallen mehr Verunreinigungen wie Wasserdampf oder Schwefelwasserstoff an. Dies kann sich stark darauf auswirken, wie schnell CO₂-Anlagen wie Pipelines korrodieren, was die Wahrscheinlichkeit eines Lecks erhöht.
Trotz dieser Risiken planen die meisten in Deutschland angekündigten CCS-Projekte die Nutzung von Offshore-Hubs für die Speicherung. Ein Projekt mit dem Namen C Zero Hub sieht vor, CO₂ aus Anlagen in Duisburg zu bündeln und flussabwärts nach Rotterdam zu verschiffen, wo es gespeichert werden soll. Andere Anlagen planen, ihren Kohlenstoff zum CO₂nnectNow-Projekt zu transportieren, einem CO₂-Transportknotenpunkt, der im Tiefwasserhafen von Wilhelmshaven geplant ist. Dieses Projekt wird CO₂ aus verschiedenen industriellen Quellen in Deutschland bündeln und zur Speicherung in den norwegischen und dänischen Teil der Nordsee leiten. Das Unternehmen plant eine 900 Kilometer (km) lange Unterwasserpipeline für das Projekt, will aber in der Zwischenzeit Schiffe einsetzen. Zwei andere Unternehmen planen ein 1.000 km langes CO₂-Netz an Land, um die Anlagen mit dem Hafen zu verbinden. Alle Hub-Projekte sind auf enorme Mengen an Infrastruktur sowohl an Land als auch auf See angewiesen. Viele dieser Anlagen – Tausende von Kilometern CO₂-Pipelinenetze, CO₂-Schiffe, CO₂-Pipelines unter Wasser – wurden entweder noch nie zuvor oder noch nie in diesem Umfang gebaut.
Hohe Kosten für die Offshore-Speicherung
Die Neuartigkeit der für CCS erforderlichen Infrastruktur trägt zu den ohnehin schon erheblichen Kosten bei. Während die Kosten der einzelnen Projekte variieren, zählt CCS nach Ansicht des IPCC zu den kostspieligsten Maßnahmen mit dem geringsten Potenzial zur Reduzierung der Emissionen aus Energie und Industrie.
Die Gründe für die hohen Kosten von CCS liegen im Wesentlichen im Material- und Energiebedarf für den Betrieb der Anlagen. Wenn CCS in Anlagen für fossile Brennstoffe eingesetzt wird, müssen diese Anlagen beispielsweise einen Teil der erzeugten Energie für den Betrieb der Anlagen verwenden, indem sie zusätzliche fossile Brennstoffe verbrennen, was die Kosten und die Basisemissionen der Anlage erhöht. Diese Kosten werden auf See durch den Transport, die Überwachung und die Ausrüstung noch erhöht. Insbesondere die Verschiffung von CO₂ steigert die Emissionen erheblich und macht die Vorteile der Abscheidung zunichte.
Diese hohen Kosten bedeuten, dass viele Offshore-CCS-Projekte wahrscheinlich wirtschaftlich unrentabel sind, wie Dutzende von gescheiterten Projekten in der Vergangenheit gezeigt haben. Um dies auszugleichen, haben viele Regierungen angeboten, die Kosten für CCS für private Unternehmen zu übernehmen, wodurch die Kosten für dieses riskante Unterfangen der öffentlichen Hand aufgebürdet werden. Bis Mitte 2023 hatten die Regierungen bereits Dutzende von Milliarden an Subventionen für Offshore-CCS-Projekte angekündigt, und viele Regierungen versprachen noch viel mehr für die Zukunft.
Eine globale Verlagerung hin zu Offshore-CCS
Selbst angesichts billigerer, bewährter Alternativen wird Offshore-CCS als Königsweg für die Industrie propagiert, als Möglichkeit für Länder, ihre Verschmutzungsprobleme loszuwerden, anstatt ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu bekämpfen. Mitte 2023 gab es weltweit mehr als fünfzig neue Offshore-CCS-Vorschläge. Wenn jedes dieser neuen Projekte gebaut würde, hätte dies einen 200-fachen Anstieg der Offshore-CO₂-Speicherung zur Folge. Allein Deutschland plant, bis 2045 bis zu 73 Millionen Tonnen CO₂ zu speichern, eine jährliche Menge, die fast 150 % über dem liegt, was bisher in der Geschichte der Menschheit durch CCS gebunden wurde.
Eine Zunahme von Offshore-CCS in dieser Größenordnung erfordert eine Infrastruktur, die weit über die vorgeschlagenen Speicherstätten selbst hinausgeht. Pipelinenetze, Speicherterminals, Züge und Schiffe werden in verschiedenen Projektplänen diskutiert. Die Regierungen werden auch neue Richtlinien und rechtliche Regelungen entwickeln müssen, um diese völlig neuartige Infrastruktur zu verwalten.
Obwohl CCS oft als Notwendigkeit dargestellt wird, um die globalen Klimaziele zu erreichen, würden, selbst wenn jedes einzelne dieser Offshore-Projekte verwirklicht würde und perfekt funktionierte, nur etwa 1,5 % der globalen Emissionen gespeichert. Währenddessen würde die CCS-Infrastruktur die Industrieanlagen an Ort und Stelle festhalten und ihre umweltschädlichen Aktivitäten noch lange nach deren Auslaufen fortsetzen.
Als Wirtschaftsminister Robert Habeck der Öffentlichkeit die geplante deutsche Strategie zum Kohlenstoffmanagement vorstellte, sagte er, dass die Zulassung von CCS notwendig sei, weil die Zeit abgelaufen sei. Aber für jeden, der einen klaren Blick für das wahre Potenzial von Offshore-CCS hat, ist klar, dass es sich nur um eine weitere Zeitverschwendungstaktik handelt.
Lindsay Fenlock ist leitende Forscherin am Zentrum für Internationales Umweltrecht.
Übersetzt aus dem Englischen von Tom Kurz
Quellen:
[1] Institute for Energy Economics and Financial Analysis (2022): The carbon capture crux: Lessons learned.
https://ieefa.org/resources/carbon-capture-crux-lessons-learned
[2] Global CCS Institute (2024): CO2 Storage Resource Catalogue.
https://www.ogci.com/wp-content/uploads/2024/07/CSRC_Cycle_4_Main-Report_July_2024.pdf
[3] Institute for Energy Economics and Financial Analysis (2023): Norway´s Sleipner and Snøhvit CCS: Industry models or cautionary tales?
https://ieefa.org/resources/norways-sleipner-and-snohvit-ccs-industry-models-or-cautionary-tales
[4] Julia Simon (2023): The U.S. is expanding CO2 pipelines. One poisoned town wants you to know its story. In NPR.
https://www.npr.org/2023/05/21/1172679786/carbon-capture-carbon-dioxide-pipeline
[5] Vinca, A., Emmerling, J. & Tavoni, M. (2018): Bearing the Cost of Stored Carbon Leakage. In Frontiers in Energy Research. Vol 6.
https://doi.org/10.3389/fenrg.2018.00040
Bild: Joakim Aleksander Mathisen, Melkøya, flickr, CC BY 2.0, keine Änderungen vorgenommen.