Widerstand von Bürgerinitiativen an der Nordsee gegen CCS
Die Abscheidung von Kohlenstoff aus Treibhausgasen und die unterirdische Speicherung ist keinesfalls eine neue Erfindung. Die unter dem Stichwort CCS (Carbon Capture and Storage) firmierende Technik sorgte bereits in den letzten Jahrzehnten für Aufsehen und Widerstand. Immer vorne dabei waren Bürgerinitiativen aus den betroffenen Kommunen, über deren Köpfe hinweg Entscheidungen gefällt wurden, die sie und die Umwelt gefährden. Die Umweltorganisation „BI gegen CO2-Endlager“ ist nun auch gegen die neuen Pläne der Bundesregierung, Kohlenstoffdioxid unter der Nordsee zu verpressen, wieder aktiv.
Im Jahr 2009 wollte der Konzern RWE Kohlenstoffdioxid aus einem Kohlekraftwerk per Pipeline nach Schleswig-Holstein transportieren und in zwei Endlagern in Nordfriesland/Schleswig-Flensburg sowie Ostholstein deponieren. Die Genehmigungen für die Aufsuchung dieser CO2-Endlagerstandorte war bereits erteilt worden, ehe die betroffenen Gemeinden informiert wurden. Daraufhin gründete sich am 19. Mai 2009 die „Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager“ und bekam schnell großen Zulauf. Gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden und Kreisen konnte das Vorhaben von RWE abgewehrt werden.
CSS feiert politisches Revival
Jahrelang war CCS in Deutschland verboten, bis die Ampelregierung mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das Thema wieder auf die Tagesordnung hob. In beschleunigten Verfahren soll jetzt zur Etablierung von CCS ein Kohlendioxid-Speicher-und-Transportgesetz verabschiedet werden. CO2-Speicher und Leitungen sollen den Status des überragenden öffentlichen Interesses erhalten, um den Ausbau zu beschleunigen. Damit wird der Rechtsweg minimiert, und Enteignungen werden erleichtert. Die CDU vereint sich mit den Ampelparteien zur Enteignungsallianz, wie es bereits bei den Anbindungsleitungen für Flüssigerdgas (LNG) geschehen ist, und fordert sogar noch eine Beschleunigung der Verfahren. Für die kommunale Ebene bedeuten Enteignungen entlang der Pipelines eine erhebliche Belastung des Zusammenhalts der Bevölkerung, Schäden an der Umwelt, Gefahren für Mensch und Tier sowie massive Kosten für die Sicherstellung der Gefahrenabwehr.
Die mit CCS verbundenen Risiken sind laut Bundesregierung[i] und Umweltbundesamt[ii]: Austritt von Chemikalien und Gasen, Leckagen an Pipelines, seismische Ereignisse bei der Verpressung und danach, undichte Bohrlöcher, Versalzung und Verschmutzung von Trinkwasser, Versauerung von Meereswasser, Beeinträchtigung von Meereslebewesen, Beeinträchtigung der Bodengesundheit und Ertragsfähigkeit von Böden. Die Abscheidung und der Transport von CO2 verbrauchen zudem viel Wasser und Fläche. Darunter leiden die Umwelt und die Menschen entlang der CO2-Pipelines und anderer Infrastruktur der CCS-Projekte.
Widerstand regt sich
Eine Mobilisierung gegen Offshore-CO2-Endlager kann am besten an Land erfolgen. Dafür sind die vom Tourismus abhängigen betroffenen Gemeinden entlang der Küste anzusprechen, aber auch die entlang der geplanten CO2-Pipelines lebenden Menschen. Große CO2-Unfälle durch Pipelineschäden könnten viele Menschenleben kosten. Je konkreter die Planungen werden, desto eher lassen sich Menschen mobilisieren.
Bereits mit dem Aufkommen erster Planungen zum Bau einer CCS-Infrastruktur an der Küste und Pipelines quer durch das Land hat sich ein breites Bündnis gegen CCS gegründet. Seit mehreren Monaten werden hier regelmäßig Stellungnahmen verfasst und Diskussionen geführt. Es kommen Umweltverbände, Bürgerinitiativen, engagierte Einzelpersonen und Betroffene aus den Gemeinden zusammen, mit dem Ziel, den erneut geplanten Hochlauf von CCS zu stoppen und wahre Lösungen für den Klimaschutz voranzubringen.
Bisherige Aktivitäten sind Schreiben an Bürgermeister:innen, eine Vorlage für CCS-freie Gemeinden und Kreise mit ersten verabschiedeten Resolutionen[iii], Demos und Beteiligungen an Gesetzgebungsverfahren gewesen.[iv]
Länder und Gemeinde tragen die Kosten
Die Kosten für die Planfeststellungsverfahren u.ä. entfallen zum Großteil auf die Länder, einschließlich der Kommunen. Voraussichtlich kommen hier Kosten für den einmaligen Erfüllungsaufwand von 9,5 Millionen Euro sowie weitere 2,5 Millionen Euro pro Jahr auf die Länder und Kommunen zu.[v] Außerdem müssen die Bundesländer 30 % der Subventionen an Unternehmen (ab 15 Millionen Euro Fördersumme) zwingend übernehmen. So sieht es zumindest die Bundesregierung bisher vor. Auf die Kommunen kommen weitere Folgekosten zu, z.B. für die Nachrüstung von Feuerwehren und Rettungskräften, weil eine neue lokale Gefahrenlage durch CO2-Anlagen, -Leitungen und -Deponien entsteht. Wie beim Atommüll sind langfristige Nachsorge und Überwachungs- und ggfs. Interventionskosten im Zusammenhang mit den CO2-Endlagern zu erwarten. Auch diese trägt die öffentliche Hand. Dadurch wird für die Kommunen und die Bürger:innen noch weniger Geld für notwendige Investitionen, Kindergärten, Schulen und Infrastruktur zur Verfügung stehen. Bereits jetzt erleben wir in Schleswig-Holstein, dass die versprochenen Fördermittel für die Dorfentwicklung bis auf Weiteres gestrichen wurden, nachdem die Gemeinden gerade erst genau dafür aufwendige Konzepte erstellt haben.
Die Bundesregierung plant Subventionen und ggf. Risikoabsicherungen für CCS-Anlagen sowie Infrastruktur in Milliardenhöhe. Diese Subventionen und Kosten werden wieder an anderer Stelle eingespart, sei es bei den Kommunen, im Sozialen oder bei der Bahn und anderer Infrastruktur. Kürzlich wurde bekannt, dass die Errichtung und Nutzung einer CO2-Deponie vor Rotterdam durch den Öl-Konzern Shell sowie weitere Gas-Konzerne, die niederländischen Steuerzahler 4 Milliarden Euro kosten wird.
Wir brauchen CCS freie Gemeinden
Betroffene Küstengemeinden finden sich überall in Europa, insbesondere jedoch unter den Nordseeanrainerstaaten. In der Nordsee sind von den Niederlanden über Deutschland, Dänemark, Norwegen bis nach Großbritannien zahlreiche CO2-Endlager geplant bzw. die Nutzung zur Erhöhung der Ausbeutung von Erdöl. Dadurch würde sogar etwa die doppelte Menge an CO2 in die Atmosphäre gelangen wie ohne CO2-Abscheidung und -Verwendung. In Dänemark sind sogar ausdrücklich mehrere Gebiete unter Land für CO2-Endlager vorgesehen.
Gemeinsam lässt sich der Wahnsinn noch aufhalten! Wie bereits 2009 in Schleswig-Holstein oder 2015 gegen Fracking können die Gemeinden und Kreise sich jetzt per Resolution gegen CCS wehren. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann in den kommunalen Sitzungen in der Bürgerfragestunde nachfragen, ob die Resolution verabschiedet wird bzw. warum nicht.
Dr. Reinhard Knof ist Vorsitzender der Umweltorganisation „Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager“. Er ist seit über 15 Jahren zusammen mit zahlreichen Mitstreitern gegen die Deponierung von Kohlendioxid, gegen Fracking und LNG aktiv.
Quellen:
[i] Bundesregierung (2022): Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz. Drucksache 20/5154
https://dserver.bundestag.de/btd/20/051/2005145.pdf
[ii] Umweltbundesamt (2023): Carbon Capture and Storage. Diskussionsbeitrag zur Integration in die nationalen Klimaschutzstrategien. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/230919_uba_pos_ccs_bf.pdf
[iii] Kein CO2-Endlager (2024): Nehmten erklärt sich zur CCC-freien Gemeinde.
https://keinco2endlager.de/nehmten-erklaert-sich-zur-ccs-freien-gemeinde/
[iv] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2024): Neue Förderrichtlinie für die Dekarbonisierung des Mittelstandes. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2024/08/20240823-neue-foerderrichtlinie-dekarbonisierung-mittelstand.html
[v] Bundesregierung (2024): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes. Drucksache 20/11190, S. 29f.
https://dserver.bundestag.de/btd/20/119/2011900.pdf
Bild: Robert Habeck 2009, damals Landeschef der Grünen in Schleswig-Holstein, bei einer Demonstration gegen CCS in Schleswig-Holstein. © dpa