Rundbrief I/2025: Kleider machen Probleme
täglich stehen viele vor der Herausforderung: Was ziehe ich an? Kleidung ist mehr als ein Gebrauchsgegenstand, sie spiegelt Identität, Individualität oder Zugehörigkeit zu einem Kollektiv wider. Kleider machen Leute, das war schon immer so, und ebenso waren es schon immer Leute, die Kleider machten. Aktuell gilt dies mehr denn je, denn der Textilmarkt boomt. Sehr zum Leidwesen von Mensch und Umwelt. Denn die Produktion von Textilien geht mit schweren Menschenrechtsverletzungen und enormen Umweltbelastungen einher und das in nahezu jeder Stufe der Wertschöpfungskette.
Die Umkehr des Trends
Die Textil- und Bekleidungsindustrie hat für die Wirtschaften der Produktionsländer hohe Relevanz und ebenso für Europa. Jährlich wächst die Branche und verzeichnet Milliardenumsätze. Dabei stimulieren stetig neue Trends das Geschäft. Während Fast-Fashion den einen immer mehr Profit bringt, intensiviert es die Arbeit in den Fabriken und verschärft die eh schon problematischen Umweltauswirkungen und Arbeitsbedingungen des Sektors. Die dringend benötigten gesetzlichen Sorgfaltspflichten haben diesem Trend auch nach kurzer Zeit schon was entgegensetzen können. Doch nun wurden sie massiv abgeschwächt.
In Öl gekleidet
Die meisten Kleidungsstücke verbrauchen heute so viel fossile Brennstoffe wie eine Plastikflasche. Fast drei Viertel aller Textilien werden bald aus Öl und Gas hergestellt. Synthetische Fasern sichern nicht nur den künftigen Erdölbedarf, sondern sind auch eine der Haupttriebkräfte der Fast Fashion, die Überproduktion, Abfall und Umweltverschmutzung verursachen. Angesichts der sich abzeichnenden Textilgesetze stellt sich die Frage: Wird die Abhängigkeit der Modebranche von fossilen Brennstoffen durch Vorschriften endlich eingedämmt oder wird die Branche den Markt weiterhin mit billiger Plastikkleidung überschwemmen?
Baumwolle: Gute Faser, schlechte Faser?
Baumwolle hat viele Vorteile: Sie ist ein nachwachsender Rohstoff, biologisch abbaubar, gut zu verarbeiten und angenehm zu tragen. Doch die riesigen Mengen, die für die Textilindustrie produziert werden, und die damit verbundenen Methoden machen die Naturfaser vielerorts zum öko-sozialen Alptraum.
Der Fußabdruck der Mode
Die Textilindustrie in Bangladesch umfasst etwa 16.700 Fabriken, erwirtschaftet Exporte im Wert von 23,55 Milliarden Dollar und beschäftigt über 4,22 Millionen Arbeiter:innen. Der weit verbreitete Einsatz gefährlicher Chemikalien in der Nassverarbeitung birgt jedoch erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Sicherere Alternativen und strengere Vorschriften sind von entscheidender Bedeutung, um die Schäden für Menschen und Ökosysteme zu verringern. Ein nachhaltiger Übergang ist unabdingbar, um ein langfristiges industrielles Wachstum und ökologische Verantwortlichkeit zu gewährleisten.
Ausbeuterische Arbeitsbedingungen für unsere Kleidung: ein Blick auf die Näher:innen
Damit wir unsere Kleidung so günstig kaufen können, muss sie auch günstig produziert werden. Deshalb greifen viele Firmen auf Produktionsstätten und Zulieferer aus anderen Ländern wie China, Bangladesch, Vietnam, Türkei und Indien zurück. Die Arbeiter:innen nähen unsere Kleidung unter menschenunwürdigen Bedingungen, mit gesundheitlichen Risiken, geschlechtsspezifischer Gewalt und Ausbeutung. Internationale Unternehmen tragen dabei große Verantwortung, aber die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist eine Herausforderung.
Verlässliche Textilsiegel? Mangelware!
Verbraucher:innen sind auf anspruchsvolle und unabhängige Textil-Siegel angewiesen, um nachhaltigere Kleidung zu erkennen. Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale NRW von 2023 zeigte, dass diese in den Top Ten-Online-Mode-Shops kaum zu finden waren. Auch Serviceleistungen zur Reparatur oder Aufarbeitung wurden dort nicht angeboten. Die großen Shops und Plattformen kamen also ihrer Verantwortung zur Umsetzung der EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien[1] höchstens ansatzweise nach. Verbraucherverhalten ändert sich im großen Stil jedoch vor allem dann, wenn sich die Verhältnisse so ändern, dass die nachhaltigere Lösung die einfachere Konsumentscheidung wird.
Vergiftete Geschenke
Globale Modemarken werben mit Recycling und Kreislaufwirtschaft, doch die Realität sieht anders aus. Nirgendwo wird das Scheitern des linearen Geschäftsmodells des Fast-Fashion-Systems so sichtbar wie in den Ländern des Globalen Südens, wo der Großteil unserer kurzlebigen Kleidung aus synthetischen Fasern landet – verbrannt, deponiert oder von Flüssen ins Meer gespült, mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt.
Ressourcen über Grenzen hinweg fließen lassen
Die Welt steht vor einer eskalierenden Textilabfallkrise, die durch Überproduktion und Fast Fashion angeheizt wird und den Globalen Süden unverhältnismäßig stark trifft. Dort haben minderwertige Importe gebrauchter Textilien schwerwiegende Folgen. Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR, Extended Producer Responsibility)-Richtlinien zielen darauf ab, Textilabfälle zu reduzieren, bleiben jedoch lückenhaft und können die Muster des textilen Abfallkolonialismus nicht verhindern. Während Europa neue Vorschriften zu Circular Economy und Nachhaltigkeit einführt, beleuchtet dieser Artikel das EPR-Rahmenwerk für Mode und Textilien.
Wir bringen die Schattenseite der Modeindustrie ans Licht
Seit über 30 Jahren setzt sich die Clean Clothes Campaign (CCC) für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der globalen Bekleidungsindustrie ein. In einem komplexen und oft undurchsichtigen System internationaler Lieferketten kämpfen wir für faire Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und die Achtung grundlegender Arbeits- und Menschenrechte. Durch Aufklärung der Öffentlichkeit, Druck auf Unternehmen und politischen Aktivismus arbeiten wir daran, strukturelle Verbesserungen in der Branche zu erreichen.